Sonntag, 14. Februar 2016
Osaka – August 2015
Wie bei allen temporären Aufenthalten musste auch unsere Zeit in Busan zu Ende gehen. Als es eines Tages dann so weit war, brachen wir zeitig auf, um unseren Flug auf die Nachbarinsel zu erwischen. Belle kam extra einige Minuten früher zur Arbeit, um sich gebührend von uns zu verabschieden. Tags zuvor hatte sie uns noch den Weg erklärt, damit wir auf jeden Fall sicher an unserem Ziel ankamen. Es war auch ganz einfach – wir mussten nur zweimal umsteigen. Dank T-Money-Karte und einer hervorragenden Beschilderung war aber auch das kein Problem.

Die letzte Bahn, die wir nehmen mussten, war eine vollautomatische Schienenbahn. Das heißt, es gab keinen Fahrer. Man konnte an beiden Enden des kurzen Zuges durch die weiten Fenster gucken. Dieser Streckenabschnitt war allerdings nicht lang genug, als dass wir es uns hätten gemütlich machen können.

Nach mehr als einer Stunde Gesamtfahrt waren wir am Flughafen von Busan angekommen und zogen aus ins nächste Abenteuer in einem anderen Land. Im Gegensatz zu dem Flughafen von Seoul war jener in dieser Stadt wesentlich übersichtlicher. Wir gingen hinein, gaben unser Gepäck ab, zeigten auch hier unser Ausreiseticket aus Japan vor (die Dame am Schalter war allerdings nett und erklärte uns von vornherein, was sie sehen wollte), erhielten unser Bordkarten und durften wieder tatenlos warten. So beschlossen wir einen Rundgang durch die doch kleine Halle. Es stellte sich heraus, dass sogar am Flughafen ein Seolbing war, also ein Bingsuladen, mit dem wir die besten Erinnerungen verbanden. Da wir noch einige Won in der Tasche hatten, beschlossen wir diese sinnvoll zu investieren: Es gab zwei Pappbecher mit Omija-Tee.

Omija-Tee am Flughafen von Busan im Solbing

Natürlich war es ein bisschen teurer als beim letzten Mal, aber wir waren nun einmal an einem Flughafen. Außerdem fühlte ich mich nicht so ganz ausgenommen, weil dieser Tee immer teurer als seine schwarzen Pendants ist und der Preis hier genau gleich war – nur die Portion war kleiner. Ähnliches vermutete ich für das Bingsusortiment. Jedenfalls war es ein gebührender Abschied von diesem fremden und gleichzeitig doch so vertrauten Land.

Auf der oberen Etage entdeckten wir mehrere Restaurants, die verschiedene Speisen anboten. Im Gegensatz zu vielen anderen Flughäfen, die ich bereits gesehen hatte, sahen diese wesentlich gemütlicher und einladender aus. Ich vermute, es hing stark mit der Bedeutung von Essen für die koreanische Kultur ab.

Diese Mal flogen wir mit dem Luftfahrtunternehmen Peach – das seltsamerweise Pink zur Unternehmensfarbe gewählt hatte. Wie dem auch sei, der Flug war von kurzer Dauer, weniger als eine Stunde, weshalb wir uns fragten, was wir in der kurzen Zeit anfangen sollten. Es war der kürzeste Flug auf unserer gesamten Reise und schien irgendwie vernachlässigbar. Da es zudem eine Billigairline war, gab es weder Snacks noch Getränke geschweige denn heiße Handtücher. Allerdings bekamen wir die Plätze am Notausgang, weshalb wir uns zusätzlicher Beinfreiheit erfreuen durften.

Kaum gestartet, setzten wir schon wieder zum Landeanflug an. Dank eines Schwalls an Menschen aus mehreren Flugzeugen und einem ungewohnt hohen Grad an Gemütlichkeit der Sachbearbeiter dauerte die Einreise allerdings ziemlich lange. Die Zeit nutzten wir so gut wir konnten, um uns ein bisschen umzusehen. Piktogramme machten deutlich, dass man keine Fotos machen durfte; dennoch hielten viele Leute sich nicht daran. Von ungefähr zwanzig Schaltern waren nur vier besetzt. Ein Einweiser wies die Leute dem Schalter mit den wenigsten Leuten zu. Besonders auffällig waren allerdings die Wärmebildkameras inklusiver großer Warnungen vor MERS. Zwar war seit Wochen keine neue Ansteckung in Südkorea verzeichnet worden, aber die Japaner wollten wohl ganz sicher gehen, denn schließlich hatte es im Nachbarland eine Epidemie gegeben.

Nach mehr als einer Stunde hatten wir es endlich problemlos durch den Zoll geschafft, nur um dabei zuzusehen, wie ein Flughafenmitarbeiter gerade unsere Rucksäcke auf einen Gepäcktrolli beförderte, um sie wegzuschaffen. Ich lief auf ihn zu, blieb vor ihm stehen und klärte die Situation auf. So stürzten wir uns in ein neues Abenteuer in einem neuen Land.


Jetzt galt es zum Hostel zu gelangen. Der erste Schritt bestand darin, vom Ankunftsterminal zum Hauptgebäude zu kommen, was mit Shuttlebussen einfach zu bewerkstelligen war. Die Wegbeschreibung vom Flughafen hatten wir, mussten also nur noch den richtigen Zug finden. Es stellte sich allerdings heraus, dass eben dies die Herausforderung des Abends sein würde. Südkorea hatte uns in diesem Punkt stark verwöhnt. Fahrkarte kaufen, einsteigen, losfahren, umsteigen, Schildern folgen, ankommen. Es war so simpel. Nicht in Japan.

Erst einmal mussten wir zum richtigen Schalter, weil die Leute links nur Tickets für den einen Zug verkauften, während man rechts Fahrkarten für JR-Züge bekam. Damit nicht genug. Anstatt eines einfachen, leicht zu überblickenden Nummernsystems hatte jede Bahnlinie ihren eigenen – natürlich – japanischen Namen. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, ging die Linie, mit der wir fahren mussten, in eine andere über, so dass wir nicht umsteigen mussten, wenn wir vor 22 Uhr fuhren, aber nach 22 Uhr schon. Ich war verwirrt, bevor ich in den Zug einstieg. Als wir dann aber an dem richtigen Schalter für den richtigen Zug standen, trafen wir auf einen Mitarbeiter, der es in sich hatte – im äußerst positiven Sinn. Nicht nur, dass er sehr gut Englisch sprach, nein, er war auch noch fix. Wir erklärten ihm, was wir wollten, er plapperte drauf los, das ist diese Linie, sie müssen dieses Ticket kaufen, das macht so und so viel, zahlen Sie getrennt?, ja, gut, das macht so und so viel pro Person, vielen Dank, hier sind ihre Fahrkarten, gute Reise. Danach musste ich kurz durchatmen.

Als wir dann endlich unser Ticket und die richtige Schranke durchschritten hatten (es gab ja zwei separat operierende Bahnunternehmen mit unterschiedlichen Gleisen), standen wir immer noch vor der Frage, mit welchem Zug wir nun fahren sollten. Um keinen Fehler zu machen und irgendwo im Nirgendwo anzukommen, fragten wir den Schaffner des gerade eingefahrenen Zuges. Dieser war nicht unserer. Auf dem Gleis gegenüber stand bereits ein Zug und der freundliche Mitarbeiter verwies uns dorthin. Leider gab es keine Streckenverlaufspläne am Gleis, keine Hinweisschilder, die mir aufgefallen wären, keine Hilfe, mit der ich mich besser zurecht gefunden hätte. Meine Güte, es war einfach nur kompliziert. Plötzlich fühlte ich mich an die Heimat erinnert – und schauderte.

Ich erinnere mich nicht daran, dass ich bei meinem ersten Aufenthalt in Japan, Tokyo, derart aufgeschmissen gewesen wäre. Lag es an Osaka? Lag es an der Gruppe, mit der ich letztes Mal unterwegs gewesen bin? Oder hatte ich mich an die Einfachheit des koreanischen Systems gewöhnt? Wie dem auch sei, glücklicherweise kamen wir letzten Endes dort an, wo wir sein mussten.

Im Zug begegnete uns eine Gestalt, die ich unbedingt erwähnen muss. Es war ein gewöhnlicher Japaner, wage ich zu behaupten. Allerdings waren wir seit Monaten nur noch den Anblick von Koreanern gewohnt, weshalb uns dieses Exemplar an Asiate so fremd vorkam. Kurzum, er sah aus wie eine Fleisch gewordene Anime- oder Mangafigur. Die Haare standen ihm in stacheligen Strähnen vom Kopf ab; die Kleidung hing lose an ihm herunter; die Hose war viel zu weit; Kettchen zierten den Gürtel; zu allem Überfluss bestand der Junge nur aus Haut und Knochen. Wir nannten ihn „dünnes Hemdchen“, entschieden uns im Laufe der Zeit allerdings dafür, dass der Name zu lang war, weshalb wir uns auf die Bezeichnung „Masa“ (aufgrund von Zuskas Freund) einigten. Im Laufe der kommenden Tage liefen wir vielen Masas über den Weg.

Das Hostel, in dem wir für drei Nächte abstiegen, war klasse. Wir entschieden uns für das J-Hoppers Osaka Guesthouse, das recht zentral aber gleichzeitig ruhig gelegen, sauber war, freundliches Personal, Gemeinschaftsräume, kostenloses Internet, gemütliche Betten hatte. Zur Begrüßung bekamen wir sogar ein kleines Geschenk. Wir hatten die Wahl zwischen einem Postkartensatz und einem Beutel voll Snacks. In Anbetracht meines Appetits, meiner Neugier auf neues Essen sowie dem Wunsch, meine Postkarten gezielt auszusuchen, fiel mir die Wahl nicht schwer. Es gab Snacks.

Japanische Snacks

Auch hier waren die Betten außerordentlich hart, allerdings waren sie anders als die koreanische Variante gestaltet. Es war einfach nur ein Futon auf Holzbrettern, während die Betten in Korea harten Matratzen ähnelten. Wie dem auch sei, ich schlief recht gut. Was mich ein bisschen störte, war die Tatsache, dass die Kissen immer niedriger wurden, je weiter wir von Seoul entfernt waren. Ich fand es allerdings äußerst lustig, dass die einzelnen Betten Bilder mit Bildern von Zeichentrickfiguren geschmückt waren. Mein Bett war mit Winnie Puh geziert.
Lustiger Weise war es keine Herausforderung, auch im J-Hoppers einige Koreaner ausfindig zu machen, die wir sofort schockierten, indem wir sie ansprachen. Es war ein amüsanter Anblick. Einige von ihnen versuchten sogar, uns zu antworten.

Am ersten Abend in Japan bestanden unsere einzigen Anliegen in Grundbedürfnissen: etwas Leckeres zu essen und schlafen. Nicht weit vom Hostel fand sich ein CoCo Curry und wir entschlossen uns kurzerhand, dass wir eine neue Tradition ins Leben rufen wollten. CoCo Curry in jedem Land probieren, in dem wir es antrafen. Als wir in dem Laden saßen, war ich von der Inneneinrichtung doch ein bisschen überrascht. Wir bekamen eine gut verständliche Karte, ja, die Kellner waren äußerst zufriedenstellend, (Masas), aber an die Idee eines Manga-Ladens in einem Restaurant konnte ich mich in dem Moment nicht gewöhnen.

Manga-Laden im CoCo Curry Restaurant

Dennoch, das Essen war lecker, wie wir es erwartet hatten, und die Portion reichte hervorragend aus. Dies waren genug Abenteuer für einen Tag.


Bevor wir am nächsten Morgen in die Straßen der Stadt hinausströmten, um uns nach einem leckeren Frühstück umzusehen, legten wir uns erst einmal einen Plan zurecht. Dank Umgebungskarte inklusive Legende und Beschreibungen konnten wir uns auch als Ortsfremde ein wenig orientieren und verschiedene Frühstücksmöglichkeiten abwägen. Wir entschieden uns für ein traditionell japanisches Frühstück. Das war ein Fehler – meiner Ansicht nach jedenfalls. Es gab Reis, daneben Nori-Blätter, Miso-Suppe, Reisschleim, Omlette. Das meiste davon war kalt.

Traditionell japanisches Frühstück in Osaka

Franziska hatte eine ähnliche Konstellation, allerdings bekam sie noch geräucherten Fisch und ein rohes Ei. Vor die Wahl gestellt, würde ich es nicht noch einmal essen.

Bereits beim Einchecken hatten die Dame an der Rezeption uns mitgeteilt, dass wir an einem kurzen Ausflug durch die Region teilnehmen konnten. Ein älterer Herr namens Mr. Yano machte dies kostenlos – man musste nur für den Eintritt bei den Sehenswürdigkeiten und das Essen im Anschluss aufkommen. Da wir keine konkreten Pläne oder Ziele in Osaka hatten, beschlossen wir kurzerhand daran teilzunehmen, denn wir witterten eine einmalige Gelegenheit.

Um punkt 10 Uhr tauchte ein Mann mit grauem Haar in der Küche unseres Hostels auf. Er war offen, höflich, gut gelaunt und amüsant. Die Tour begann mit einem Gruppenfoto und der Frage, ob irgendjemand Japanisch sprach. Alle verneinten, woraufhin Mr. Yano mit Händen, Füßen und Gesten erklärte, dass er nur über rudimentäre Englischkenntnisse verfüge. Das sollte uns jetzt nicht davon abhalten eine gute Zeit zu verbringen, denn er machte wirklich das Beste draus.

Zu Beginn stapften wir durch die Straße, auf der unser Gasthaus stand. Vor dem einen oder anderen Geschäft blieb Mr. Yano stehen und erzählte eine lustige Anekdote oder empfahl einen Leckerbissen. Trotz der Sprachbarriere schaffte der alte Mann es gekonnt seine Botschaft zu vermitteln und sein Publikum zu unterhalten – das ist eine Kunst.

An der Haltestellte brachte Mr. Yano uns die ersten japanischen Worte bei.
Dieser Kontakt mit einem Einheimischen machte mir aber auch sehr deutlich, wie stark die koreanische Mentalität sich von der japanischen unterschied. Auch wenn ich ohne jegliche Sprachkenntnisse in beide Länder reiste (tatsächlich verstand ich mehr Worte auf Japanisch als auf Koreanisch, was mit einer langjährigen Faszination für Anime und Manga zusammenhing), schnappte ich das ein oder andere auf. Dies ist besonders dann einfach, wenn die Leute um einen herum sich zu Privatlehrern erklären. Während das erste Wort, das mir unsere koreanische Gastfamilie beibringen wollte „Hallo“ war, betonte Mr. Yano immer wieder, wie wichtig es war das japanische Wort für „Entschuldigung“ zu kennen. Japaner benutzen es unentwegt. Die Mitarbeiter an der Rezeption entschuldigten sich beim Gast, wenn dieser ihr Etablissement betrat, nur um ein Beispiel zu nennen. Nach zwei Monaten Koreaaufenthalt wusste ich immer noch nicht, was „Entschuldigung“ oder „tut mir leid“ hieß. Ich konnte fluchen, Männlein wie Weiblein in meiner Umgebung gleichermaßen beleidigen, aber nicht um Verzeihung bitten. Es war mir auch nicht aufgefallen, dass Koreaner sich viel entschuldigten – stattdessen bedankten sie sich oft. Ein wesentlicher kultureller Unterschied

Als nächstes fuhren wir ein bisschen mit der Bahn, bis wir eine wirklich sehr lange, überdachte Einkaufspassage erreichten. Mr. Yano erklärte uns, dass man eine Stunde zu Fuß brauchte, um sie von einem Ende zum anderen zu durchqueren.

Überdachte Einkaufspassage, für die man eine Stunde zu Fuß braucht

Dort trafen wir auf ein interessantes japanisches Phänomen, das unser Reiseführer uns folgendermaßen erklärte: Japaner wollten anscheinend überall Geld sparen, so dass sie die besten Schnäppchen suchten, auch wenn es um Lebensmittel ging. Leider hatten sie ein ganz anderes Verständnis von preiswert als ich, denn für sie war das beste Angebot schon erreicht, wenn es 10-20 Yen (das entspricht 10-20 Cent) günstiger als der Höchstpreis war, selbst wenn die Qualität darunter stark litt. In meinen Augen kein sonderlich guter Tausch. Darüber hinaus nahmen Japaner es gerne auf sich, in einer Schlange zu stehen, weil dies für die Kochkünste des Restaurants sprach. Getreu dem Motto: „Wenn andere es mögen, wird es sehr lecker sein, also warte ich lieber auch hier.“

Die Einkaufspassage von innen

Eigentlich wollten wir das Osaka Museum of Housing and Living am Nachmittag aufsuchen, aber dann erfuhren wir, dass es schon im Programm inbegriffen war, was uns positiv überraschte. Mit 600 Yen war der Eintrittspreis durchschnittlich, doch bot sich einem auch ein durchdachtes Konzept mit einem schönen Schauspiel. Die Zeitreise in die Edo-Periode begann mit einem Blick aus der Vogelperspektive. Die Dächer dieses Stadtteils waren detailgetreu nachgebaut worden, inklusive Dachterrassen und Katzen.

Nachgebautes Dorf der Edo-Periode in Osaka

Zwischen den verschiedenen Häusern schlängelten sich andere Besucher entlang, doch es dauerte nicht lange, bis wir uns dazu gesellten. In der Zwischenzeit versuchte Mr. Yano uns einige japanische Begriffe beizubringen, was zur allgemeinen Erheiterung beitrug. Es ging um alltägliche Gegenstände, die einen Bezug zu diesem Dorf hatten.

Unten angekommen war ich von dem Ambiente begeistert. Leute – vorwiegend Touristen – in Kimonos schlenderten durch die engen Gassen, während rechts und links auf alt getrimmte Gebäude den Flair längst vergangener Jahrhunderte wieder aufleben ließen. Einige Gebäude konnte man sogar betreten und sich in eine andere Ära versetzen lassen. In anderen Häusern fand man dekorative Schaufenster.

Dekorativer Drache

Es gab Spielzeug von früher, das unsere ganze Ausflugsgruppe in Aufregung und Staunen versetzte. Da gab es einen Stock mit zwei Tellern an der Seite und einer Spitze vorne dran. An seinem Ende war ein Ball an einer Schnur befestigt. Ziel war es, den Ball durch richtiges Drehen des Handgelenks entweder auf einen der beiden Teller zu hieven oder direkt auf der Spitze aufzuspießen. Wir hatten lange unseren Spaß damit. Dann gab es noch einige Holztäfelchen, die miteinander verbunden waren. Drehte man sie in eine Richtung, entstand ein Dominoeffekt und alle klapperten der Reihe nach um. Drehte man sie in die andere Richtung, geschah es wieder. Bei jedem Dreh änderte sich das Bild.

Darüber hinaus zeigte uns Mr. Yano einige Ausstellungsgegenstände näher, auch wenn ganz groß drauf stand, dass man es nicht anfassen durfte. Es schien den Japaner kein bisschen zu stören. Stattdessen schob er das Schild beiseite und zog sein Ding durch. Er erzählte uns, wie der Alltag eines Japaners früher wohl abgelaufen war und wozu die einzelnen Gegenstände benutzt worden waren. Es war sehr informativ.

Ausgestelltes Wohnzimmer

Die Halle, in der das Museum stand, war auch klasse konzipiert. Man hatte alles abgedunkelt und abgeschirmt, so dass man sogar die Tageszeit und das Wetter „beeinflussen“ konnte. Plötzlich wurde es dunkel, Lichteffekte simulierten Blitze, während die Lautsprecher Regenplätschern spielten. Unsere Gruppe suchte sogar Unterschlupf, um nicht nass zu werden. Nach dem Gewitter wurde es Nacht und nur wenige Laternen erleuchteten die Wege. Es war sehr schön inszeniert. Dies war der Moment, den Mr. Yano nutzte, um uns in ein verlassenes Haus zu führen und seine Weisheiten mit uns zu teilen. Wir erfuhren einiges über Traditionen und Gepflogenheiten im alten Japan, hatten dabei aber immer viel Spaß. Es war ein gelungener Museumsbesuch.

Damit war der Ausflug als solcher allerdings noch nicht abgeschlossen. Nicht weit vom Museum war ein kleines Restaurant, das Mr. Yano uns noch unbedingt vorstellen wollte. Grundlegender Gedanke hierbei war es, uns die japanische Küche näher zu bringen, indem er uns frisch gemachtes Okonomiyaki serviert – besser noch: wir durften es zu einem großen Teil selbst machen. Die Plätze für uns waren schon reserviert, die Dame in der Küche wusste Bescheid, wir nahmen an zwei Tischen Platz und warteten gespannt. Vor uns war wenig Tisch, dafür aber viel heiße Platte, einige kleine Teller und große Pfannenwender.

Es begann damit, dass zwei große Klekse der Teigmasse auf diese heiße Platte gegossen wurden, gefolgt von jeweils einem breiten Streifen Speck. Nach einiger Zeit des Bratens war es an uns zu entscheiden, ob die Pfannkuchen so weit waren gewendet zu werden und es dann auch selbst zu machen. Es gab ein Gemetzel. Der erste Okonomiyaki überlebte die Prozedur nicht in einem Stück, der zweite schaffte es gerade so dank vereinter Kräfte. Als diese riesigen Leckerbissen auf beiden Seiten knusprig gebraten waren, folgten die Saucen. Zuerst die dunkle, bei der ich keine Ahnung habe, woraus sie bestand, dann die helle, die einfach nur Mayonnaise war. Darauf wurde ein bisschen Noripulver gestreut. Um dem Gebilde die Krone aufzusetzen, streut man normalerweise noch Fischflocken drüber, aber da Franziska und ich dieses Erfahrung bereits in Sydney hinter uns gebracht hatten, verzichteten wir dieses Mal dankend darauf. Die anderen beiden Mädels an unserem Tisch hatten nichts daran auszusetzen.

Selbstgemachtes Okonomiyaki

Dieses Okonomiyaki weckte gemischte Gefühle in mir. Einerseits war ich begeistert von der Idee, es größtenteils selbst zubereiten zu dürfen und mit der heißen Platte sowie Pfannenwendern zu spielen. Andererseits sah ich es als große Folter an, weil es die ganze Zeit vor mir war, ich es aber bis zum Schluss nicht essen durfte. Jedenfalls war es ein Gaumenschmaus, als es endlich fertig war.

Hierbei muss ich noch eine Kleinigkeit zu einem Mädel aus dieser illustren Runde erzählen. Sie war eine US-Amerikanerin aus New York, sehr freundlich, guter Gesprächspartner, schick gekleidet. Allerdings fiel mir etwas an ihrer Bluse auf, das mir den halben Vormittag zu denken gab. Ein großes A in einem Kreis war auf die rechte Seite ihres Kragens gestickt, während die linke Seite von dem Wort „Assemble“ geziert wurde. Zweifel nagten an mir. Sie saß mir gegenüber und ich starrte diese Symbole an. Letzten Endes hielt ich es nicht mehr aus und fragte sie gerade heraus, ob es ein Fan-Shirt der Avengers war. Daraufhin lächelte sie mich an und bejahte fröhlich, wobei sie hinzufügte, dass sie sich freue endlich jemanden gefunden zu haben, der es erkannte.


Mit diesem leckeren Mahl war der Ausflug abgeschlossen und wir durften frei unserer Wege ziehen. Mr. Yano bot sich aber noch an, uns durch verschlungene Gassen zurück zur Metrohaltestellte zu führen und weitere Geschichtchen über die Nachbarschaft sowie japanische Eigenarten zu erzählen. So ließ er uns beispielsweise wissen, dass einige Leute nachts volle Wasserflaschen auf die Straße stellten, um Katzen abzuschrecken.


Noch frisch von den Eindrücken eines anderen Landes geprägt entwickelten Franziska und ich ein neues Spiel, das wir überall, jederzeit spielen konnten, ohne jemandem auf den Schlips zu treten. Es heißt: „Finde die Koreaner.“ Wer auch immer die Behauptung aufgestellt hat, dass alle Asiaten gleich aussähen, ist blind durchs Leben gelaufen. Hier in Japan merkte man besonders deutlich, dass Koreaner sich ganz anders kleideten, stylten und gebaut waren als die Einwohner dieses Inselstaates. Und es war erschreckend, wie japanische die Japaner waren.


An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass wir beide zu diesem Zeitpunkt unter einem tiefen Kulturschock litten, weshalb ich mich für jegliche eventuellen und tatsächlichen Gemeinheiten gegenüber dem Lande der aufgehenden Sonne und seinen Bewohnern entschuldigen möchte. Es hat weniger mit Japan zu tun, als mit der Tatsache, dass wir gerade aus Korea kamen. Wenn man gerade aus Deutschland kommt und Japan zum ersten Mal betrachtet, fallen einem bestimmt all die Unterschiede auf. Es ist wesentlich sauberer, die Städte sind riesig, die Menschen sehen anders aus, kleiden sich anders, das Essen ist anders, und, und, und. Wenn man allerdings gerade aus Korea kommt, fallen einem eher die Gemeinsamkeiten zu Deutschland auf, weil Korea sich nicht nur deutlich von meinem Heimatland, sondern auch von Japan unterscheidet. Zumindest war es bei uns beiden so. Es war in gewisser Weise ein Eigenkulturschock. Ich möchte es hier erwähnen und später Bezug wiederholt darauf nehmen, indem ich an einigen Beispielen festmache, inwiefern Japaner und Deutsche sich ähneln.


Fußläufig von unserem Hostel gab es nicht wirklich nennenswerte Sehenswürdigkeiten, aber das hießt nicht, dass man sich nicht welche geschaffen hätte. Da gab es ein großes Gebäude, auf das man – gegen Gebühr – hochfahren durfte, um einen Blick auf Osaka von oben zu werfen. 800 Yen fanden wir dann für eine Fahrt mit dem Aufzug doch zu happig, wollten dieses Bauwerk jedoch einmal aus der Nähe betrachten. Es stellte sich heraus, dass es ein riesiger Glaspalast mit verspiegelter Außenfront war.

Am Fuße dieses Gebäudes fand das Oktoberfest statt

Kaum waren wir am Fuße dieser Konstruktion angekommen, präsentierte sich uns eine Überraschung deutscher Natur: Die Japaner in Osaka feierten hier gerade Octoberfest.

Ich war baff. Auf einem kleinen Platz direkt unterhalb dieses Gebäudes hatte man Pavillons, Holzbänke und –tische aufgestellt, es gab jede Menge Verkaufsstände, die deutsche Spezialitäten anboten und eine Bühne für Livemusik. Es dauerte einige Minuten, bis ich diesen Anblick verarbeitet hatte, doch selbst dann wich das Grinsen nicht so schnell von meinem Gesicht. Dieses Schauspiel war zu absurd! Da liefen Kellnerinnen in Dirndln rum; männliches Personal war an der Lederhose zu erkennen; und ein besonders ausgelassener Japaner hatte sogar einen Filzhut auf dem Kopf. So viel Keckheit hätte man diesen Asiaten gar nicht zugetraut!

Oktoberfest in Osaka

Da saßen ganze Meuten dieser sonst so zurückhaltenden Inselbewohner in den Bierzelten, dicht an dicht auf langen Holzbänken und schunkelten, was das Zeug hielt. Jaha, sie schunkelten tatsächlich, hakten sogar die Arme ineinander. Sie freuten sich auch über die bekannten deutschen Biermarken wie Acrobräu oder Alprisbacher Klosterbräu. Bei solchen Gaumenfreuden zahlt man gerne 1200 Yen für eine Halbliterflasche (umgerechnet ca. 12EUR) zuzüglich Pfand für das Glas. Ein kostenloser Flyer diente nicht nur als Speise- und Getränkekarte, sondern erklärte zugleich einige Gepflogenheiten, die man kennen musste, wenn man sich den deutschen Traditionen anpassen wollte. Auf der Rückseite fand sich eine Anleitung zum Anstoßen neben einem Lied, das jeder mitsingen durfte.

Anleitung für das Oktoberfest in Osaka

Ein ordentliches Schunkeln bedeutet natürlich nichts, wenn das Ambiente dafür nicht stimmt. Um für eine passende Stimmung zu sorgen, hatten die Veranstalter eine … wie nenne ich das am besten… Musikgruppe eingeladen, die einen bayrischen Namen sowie oktoberfestliche Kleidung trug, gleichzeitig aber dem asiatischen Kulturraum zuzuordnen war. Als „Maria und Alpenbuam aus Tokyo“ dann auf der Bühne standen, sahen wir uns in der Pflicht, dieses Schauspiel anzusehen, um es nach deutschen Maßstäben bewerten zu können.

Maria und Alpenbuam aus Tokyo auf der Bühne in Osaka

Die Musik, die uns hier präsentiert wurde, war definitiv mit den Lederhosen und Dirndln kompatibel. Insbesondere die Frontsängerin überraschte mit einer hervorragenden Aussprache – Bayrisch, versteht sich. Darüber hinaus war ihr Jodeln tadellos. Wie lange sie dafür bei einem deutschen Meister in Lehre gegangen war, vermag ich nicht zu erraten. Jedenfalls schaffte es die sechsköpfige Band die Stimmung zu heben, die Japaner von ihren Sitzen zu reißen und das Fest zu einer wahrhaft ausgelassenen Feier gedeihen zu lassen.

Nachdem sie das Publikum dazu aufgefordert hatten, sich vor der Bühne zu versammeln, um gemeinsam im Takt zu schunkeln, sprangen tatsächlich jede Menge Japaner auf, um dem Vorschlag nachzukommen. Andere wurden von den Kellnerinnen zur Mitarbeit überredet. Es bildete sich eine lange Kette ineinander gehakter Inselbewohner, die von links nach rechts und wieder zurück schunkelten. „Marie und Alpenbuam“ gingen aber so weit, dass sie dem Publikum sogar einige grundlegende Worte beibrachten, die im passenden Moment laut herausgeschrien werden mussten. Darunter fielen Begriffe wie „Prost“, „Die Krüge hoch“ und „Zicke-zacke, zicke-zacke, hoy, hoy, hoy“.

Wir betrachteten das ganze Spektakel mit einer tiefen Faszination, die zwischen Begeisterung und geisteskrankem Lachen hin und her schwankte. Bevor unsere Gemütsverfassung unumkehrbar in eine unerwünschte Richtung ausschlug, verließen wir den Ort des Geschehens wieder. Es war auf jeden Fall ein Erlebnis, das meinen Tag krönte.


In Osaka stand ein Schloss, dessen Besichtigung uns Touristen von Anfang an ans Herz gelegt wurde. Es trug den Namen „Osaka Castle Museum“. Das Prospekt war vielversprechend: acht Etagen, große Parklandschaft drum herum, historische Bauten, vollgepackt mit geschichtlichen Fakten und Figuren, Aussichtsplattform im obersten Stockwerk. Kaum hatten wir davon erfahren, war ein Tag verplant. Bei solch einem Angebot war nicht daran zu denken, nur einen Vor- oder Nachmittag darauf zu verwenden, nein, wir mussten früh anfangen, um auch alles mitnehmen zu können. Gesagt, getan!

Auf dem Weg zum Osaka Castle Museum

Schon von Weitem erkannte man diesen Prachtbau. Auf der Kuppe eines Hügels prangerte das goldbesetzte Bauwerk; man konnte es nicht verfehlen. Umgeben war die ganze Anlage von zwei breiten Wassergräben, mächtig und protzig bildeten sie ein unüberwindliches Hindernis für Fußtruppen. Darüber hinaus versperrten riesige Tore unerwünschten Gästen den Zugang. Glücklicherweise hatte man befestigte Wege darüber hinweg gebaut, um Besucher trockenen Fußes zu ihrem Ziel gelangen zu lassen. Wir ließen das Ambiente auf uns wirken, kamen aber nicht drum herum, so den einen oder anderen Spaß auf dem Weg dorthin zu machen, weil wir am Ende unserer Reise so langsam gar nichts mehr ernst nehmen konnten. Während wir uns in Korea zurückgehalten hatten, brach nun der Schalk vollkommen aus.

Ich schweife ab.

Der Eintritt war mit 600 Yen erträglich, wenn auch im Vergleich zu Korea sehr teuer, aber wir erwarteten auch etwas dafür. Im Osaka Castle Museum ließ man sich nicht dazu herab, die Eintrittskarten von Menschen verkaufen zu lassen, nein, hier hatte man bereits Maschinen dafür eingesetzt. Glücklicherweise konnten diese Englisch. Eine einsame Dame saß allerdings an einem anderen Schalter, um dort die Karten abzureißen und uns eintreten zu lassen.

So stapften wir die ersten Stufen empor, die von einem sanften Nebel umhüllt waren, der aus Bestäubungsanlagen entlang der Treppe hervorquoll. Diese hatten den Zweck die hitzegeplagten Besucher zumindest vorübergehend von ihrem Leid zu erlösen und eine gewisse Linderung zu schaffen. Am Kopf der Treppe gab es zwei Schlangen: Die linke führte zum Fahrstuhl, die rechte war für jene gedacht, die sich den Aufstieg zu Fuß zutrauten. Wir waren in hervorragender Form und es war noch früh, also nahmen wir den langen Aufstieg in Angriff. Später fanden wir heraus, dass das Museum eine Besichtigung von oben nach unten empfahl – das war irgendwann im dritten Stockwerk. Ergo behielten wir die Tradition der Reise bei und handelten den Kuratorenwünschen zuwider.

Besonders lustig war, dass es bestimmte Treppen gab, die man entweder nur hinauf- oder hinuntergehen durfte. Viele Schilder und Pfeile wiesen energisch darauf hin, ob man sich auf dem richtigen Pfad befand. Es war schon fast eine Selbstverständlichkeit, dass die meisten Leute sich tatsächlich daran hielten und sogar umdrehten, wenn ihnen auffiel, dass sie die falsche Treppe zu besteigen versuchten. Diejenigen, die es nicht interessierte, kamen offensichtlich aus dem Westen.

Von innen war das Schloss grundlegend modernisiert worden, was dem ganzen Gebilde einen obskuren Anstrich verlieh. Allerdings verstanden die Japaner das mit der Klimaanlage nicht so gut wie die Koreaner, denn obwohl es welche gab und sie liefen, war es viel zu warm in dem Gebäude. Ob es daran lag, dass sie veraltet waren und den Besuchermassen sowie Außentemperaturen nicht mehr Herr wurden oder ob sie einfach eine höhere Temperatur erzeugen sollten, kann ich nicht beurteilen. Natürlich hatte das Schloss den Zweiten Weltkrieg nicht unbeschadet überstanden und war daher ein Nachbau, aber trotzdem fanden wir beide es enttäuschend, dass man nur die Fassade historisch belassen hatte, während das Innere alltäglich aussah. Da das Innere nicht sonderlich fotogen war und es zudem in weiten Teilen verboten war, Bilder der Ausstellung zu machen, werde ich zwischendurch einfach das Äußere zeigen.

Osaka Castle Museum mit Gartenanlage

Was die Ausstellung dieses Museums betraf, waren wir auch unzufrieden. Im Erdgeschoss konnte man sich in einem kleinen Kino einige Informationsvideos zur Bauweise, Restauration und Besonderheiten des Schlosses sowie der umgebenden Anlagen ansehen. In der Etage darüber fanden sich einige Informationen über das Schloss in historischem Kontext sowie die Meiji Periode. Allerdings waren es nur einfache Informationstafeln, die lieblos in der Gegend standen. Die zweite Etage ließ den Besucher einen Blick auf einige Schwerte, Rüstungen und bemalte Faltwände werfen. Ich fand die Darstellung aus dem Kontext gerissen und deplatziert. Das dritte Stockwerk bot die Lebensgeschichte von Hideyoshi Toyotomi in lustigen, kleinen Holographieaufnahmen. Leider hatten die Kuratoren dieses Teils eine ganz andere Vorstellung von Geschichte als wir beiden, denn das meiste, was dort berichtet wurde bezog sich auf Mythen und Legenden. Faktenwissen war nur spärlich gesät. Letzten Endes hatten wir, nachdem wir die ganze Reihe gesehen hatten, mehr Fragen als vorher. Ganz oben gab es für uns die Möglichkeit auf einen Balkon hinaus zu gehen und in alle vier Himmelsrichtungen Osakas zu blicken. Die Aussicht fand ich klasse. Wir drehten eine Runde, genossen die frische Luft und begannen den Abstieg.

Aussicht aus dem 8. Stockwerk des Osaka Castle Museums

Dennoch möchte ich dieses Museum nicht weiterempfehlen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt nicht. Ich fühlte mich nach Neuseeland zurückversetzt, als hätte ich gerade die Tore von Te Papa verlassen, nur dass ich dieses Mal dafür bezahlen musste.


Diesem kargen Aufbau entsprechend schnell waren wir mit der Besichtigung auch durch. Wir hatten den ganzen Vormittag für das Schloss eingeplant, standen nach zwei Stunden aber vor der Frage, was wir nun machen sollten. So entschlossen wir uns für einen Spaziergang durch das angrenzende Parkgelände gefolgt von einem Lunch.

Tempel auf dem Museumsgelände


Das Mittagessen stellte uns allerdings vor eine mittlerweile ganz vergessene Herausforderung: ein Lokal finden. Vom Angebot in Seoul und Busan verwöhnt, stellten wir in Osaka fest, dass es nur bestimmte Einkaufsstraßen oder vereinzelte, einsame Restaurants auf den Straßen gab. Cafés waren noch seltener zu sehen. Man musste sich schon auskennen, um zu wissen, in welche Straße man abbiegen musste, um etwas zu essen zu finden. Anfangs waren wir wirklich erstaunt darüber, bis uns einfiel, dass es in Deutschland genauso war. Es war das erste Mal seit Monaten, dass ich ganze Häuserzeilen sah, in denen Unten nur Wohnungen waren. Kein kleiner Laden, kein Café, kein Restaurant, nein, nur Wohnungen. In diesem Moment war es nicht nur befremdlich, sondern auch erschreckend. Wir brauchten mehr als eine halbe Stunde, um ein Restaurant zu finden. Damit meine ich kein Lokal in unserer Preisklasse, sondern überhaupt eins. In der näheren Umgebung der Palastanlagen waren nur Wohn-, Büro- und Industriegebäude, aber keinerlei Einkaufsmöglichkeiten. Gar keine. Wir fanden lediglich eine Tankstelle mit dazugehörigem Shop.

So etwas wiedersprach der grundlegenden Geisteshaltung eines Koreaners: Im näheren Umkreis jeder Sehenswürdigkeit, die wir besucht hatten, fand sich zumindest ein Essensstand. Das Korean Folk Village, das weit außerhalb Seouls lag, hatte zu diesem Zweck eine eigene Restaurantecke integriert, um den Kunden auf jeden Fall etwas zu Essen anbieten zu können.

Nun fühlte ich mich vollkommen unvorbereitet. Ich hatte kein Lunchpaket vorbereitet, hatte keinen Snack dabei, nicht einmal ein Stück Obst, keinen Müsliriegel, gar nichts.

Auf unserer endlos scheinenden Suche drangen wir anscheinend ins Büroviertel vor, denn um uns herum türmten sich mittlerweile die glasverkleideten Wolkenkratzer. Dort fanden wir einen Gebäudekomplex, in dessen Erdgeschoss einige Geschäfte zu finden waren, darunter auch Restaurants. Ohne weiter darüber nachzudenken, gingen wir hinein. Wir hatten Hunger. Ich war äußerst erstaunt darüber, dass man in japanischen Restaurants rauchen durfte. Das hatte ich seit Jahren nicht mehr gesehen. Es gab noch nicht einmal abgeschirmte Raucherbereiche, nein, die Leute rauchten einfach so nach dem Essen ihre Zigarette. Jedenfalls war es in diesem Lokal so.

Nach langem Suchen wurden wir hier fündig

Als wir dann endlich zum Essen kamen, bestellten wir uns leckeres Katsu Don, das auch sehr gut schmeckte. Dennoch gab es einige Kuriositäten, wie beispielsweise die Tatsache, dass es auch hier ein rohes Ei in Franziskas Mahl gab. Die Japaner essen wohl alles roh. Historisch mag das durchaus zu erklären sein, aber meinen Geschmack trifft es nicht zur Gänze.

Endlich ein Mittagessen

Gefolgt wurde dieses Mahl von einem Nachtisch der besonders ungesunden Art. Wir kehrten in einen Mr. Doughnut ein, um einige Leckereien käuflich zu erwerben.

Leckere, japanische Doughnuts

Doch damit war unser Tag noch nicht abgeschlossen. Immerhin mussten wir jetzt noch den Weg zurück ins Hostel finden. In unserer Unwissenheit wähnten wir uns guter Dinge, denn immerhin gab es den Eingang zu einer Metro-Haltestelle direkt neben dem Gebäude, in dem wir uns gerade befanden. Doch kaum waren wir unten angekommen und warfen einen Blick auf den Netzplan, als unsere Hoffnung schwand. Dies war die U-Bahn. Wir brauchten aber das JR-Netz, um zurück zu unserer Herberge zu gelangen. Wir irrten mehr oder weniger zielsicher durch die Straßen, denn auch wenn ich es schaffe, mich in der Lotte Mall zu verlaufen, so ist mein Orientierungssinn im freien hervorragend. So gingen wir zurück zur Haltestelle, an der wir angekommen waren, auch wenn es ein bisschen länger dauerte. Letzten Endes war es gut, dass wir den ganzen Tag für den Ausflug eingeplant hatten, da doch einige unerwartete Herausforderungen auf uns gewartet hatten.

Gewöhnliche Straße in Osaka


Am zweiten Tag war unser Spiel „Finde die Koreaner“ bereits so langweilig, dass wir Chinesen mit in die Mischung nahmen. Koreaner und Japaner sind grundverschieden und man erkennt sie aus der Entfernung. Dies wurde besonders deutlich, als wir im achten Stockwerk des Palastes auf dem Balkon standen und unten in den Besuchermassen Koreaner herauspickten. Die Tücke mit den Chinesen war für uns, dass wir uns nicht sicher sein konnten, ob es nicht doch Taiwanesen waren, weil wir in keinem der beiden Länder längere Zeit zugebracht hatten. Für so etwas braucht man immer eine Feldstudie.


Langsam frage ich mich, woher das Gerücht aufkommt, Japaner wären modern und auf der Höhe der Zeit. Im Vergleich zu Korea hinkten sie ein Jahrzehnt hinterher. Die Mobiltelefone waren älter, kleiner, primitiver; die Kleidung war irgendwann in den 1970ern stehen geblieben; die Frisuren haben sich auch seit dem ersten Manga kaum verändert; WiFi gab es nur in den wenigsten Lokalen. Und so etwas fällt MIR auf.

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