Sonntag, 9. April 2017
Sylvester in Seoul - Tag 2
Mein zweiter Tag in Seoul begann mit ausschlafen und einem reichhaltigen Frühstück.
Ausschlafen war nicht wirklich gegeben, weil ich mich mit dem Heizsystem in Form einer Heizdecke im Bett nicht so ganz anfreunden konnte, was aber eher an der Decke lag. Während ich mich von unten gebraten fühlte und schwitzte, fror der obere Teil, weil die Decke so dünn war. Ein angenehmes Schlafklima sieht anders aus.

Das Frühstück, das im Zimmerpreis inklusive war, zeugte auch nicht wirklich von Abwechslung oder nahrhaften Elementen.

Frühstück im Hostel Korea 5th

Ja, so sah jeden Tag das Frühstück aus. Erschwerend kam hinzu, dass es außer Kaffee (von dem ich nicht wissen wollte, wie lange er schon dort stand) nur noch heißes oder kaltes Wasser zu trinken gab, Teller Mangelware waren und das Besteck auch nur in Spurenelementen zu finden war. Wenn man dann noch berücksichtigte, dass die Heizmöglichkeiten in diesem Raum ebenso schlecht waren wie in meinem, kann man sich ein ziemlich gutes Bild vom Gemütlichkeitsfaktor machen. Es spornte mich jedenfalls zu schnellen Mahlzeiten an. Das einzig Gute: Man wurde dazu aufgefordert, nach Herzenslust zuzugreifen.

Für diesen zweiten Tag in Seoul stand ein Ausflug zur Shopping Mall Times Square an, was nur darin begründet lag, dass ich von der Lotte Mall in Busan letztes Jahr so begeistert gewesen war und hier nun ein ähnliches Erlebnis suchte. Ich hatte mir die Adresse herausgesucht, doch leider lag das Gebäude nicht direkt an einer Haltestelle, so dass ich noch ein Stück laufen musste. Es lag genau zwischen zwei Haltestellen und ich wuselte mich durch die nicht genau benannten Straßen, um mein Ziel zu erreichen. Glücklicherweise habe ich einen hervorragenden Orientierungssinn, so dass ich schon bald an meinem Ziel angekommen war. Nur einmal wirkte ich so verloren, dass ein Koreaner seine Hilfe anbot – aber ich lehnte sie des Abenteuers wegen höflich ab.

Und auf einmal stand ich vor ihr. Glas wechselte sich mit Marmor ab, eine junge Koreanerin stand George Clooney gegenüber (auf riesigen Werbebannern, versteht sich), ein süßes Weihnachtsdorf blockierte dein Eingang und über dem Haupteingang stand in großen Lettern „Times Square“.

Times Square Außenansicht

Schriftzug Times Square mit Weihnachtsdekoration

Genau hier war ich richtig. Ich trat ein in eine riesige, runde Halle, an deren Flanken sich Geschäfte kuschelten. Weiß war hier die Farbe der Wahl. Die Brüstungen bestanden aus Plexiglas, während jede Etage in weißes Licht gehüllt wurde.

Times Square Innenansicht 1

Times Square Innenansicht 2


Ziellos schlenderte ich umher, fuhr erst einmal nach oben, um dort einen Ausgang zu finden, der mich auf die Dachterrasse führte. Dort empfing mich eine schöne Promenade mit Garten, Skulpturen, Sitzgelegenheiten und Auflockerungen für das Auge.

Dachterrasse auf der Times Square Shopping Mall

Dachterrase auf der Times Square Shopping Mall

Dachterrasse auf der Times Square Shopping Mall

An einigen Stellen konnte man einen Blick auf Seoul mit Wolkenkratzern und kleinen Häuschen werfen.

Aussicht von der Dachterrasse der Times Square Shopping Mall

Ich schlenderte zurück, betrachtete die Kleidungsstücke in den Geschäften, fand aber nichts, das mir zugesagt hätte, schlenderte weiter, machte eine Pause in einem integrierten Café, schlenderte weiter, stellte fest, dass die Nobelmarken von den anderen getrennt waren, fand einen Teil eines Stockwerks, der nur für Restaurants verschiedener Art reserviert war, aß dort mein Mittagessen (ich entschied mich für Donkatsu)

Mittagessen in der Times Square Shopping Mall: Donkatsu

und brach zum letzten Stück auf, das sich dann doch als größer als erwartet herausstellte, um dann den Laden endlich zu verlassen.

Das Essen war sehr gut. Es gab eine eigens abgetrennte Abteilung, in der man viele Restaurants zusammengepfercht hatte, Eatery Alley genannt. Am Eingang suchte man sich das gewünschte Gericht aus, bezahlte dafür, erhielt einen Buzzer und durfte sich dann einen Platz suchen. Wenn das Essen fertig war, holte man es am entsprechenden Schalter / Restaurant ab. Es war also viel einfacher, mit Freunden essen zu gehen, wenn man Appetit auf verschiedene Speisen hatte.

Schweren Herzens verließ ich Times Square wieder, um mir den Rest von Seoul anzusehen. Mein nächstes Ziel war die Stadthalle. Auf dem riesigen Platz vor diesem gläsernen Koloss stand ein imposanter Weihnachtsbaum. Obwohl Weihnachten nicht halb so wichtig wie in Deutschland war, schmückten die Koreaner ihre Stadt wie die Weltmeister.

Weihnachtsbaum vor der Stadthalle

Weihnachtsdeko für Fotoshooting vor der Stadthalle

In der Stadthalle

Stadthalle von außen

(großes Gebäude aus Glas rechts) konnte man eine selbstgeführte Tour machen. Ein Angebot, das ich sofort annahm. Im Inneren wurde ich von einer eisblauen Luftballonsäule begrüßt. Direkt daneben fand ich eine riesige mit Efeu bewachsene Wand. Um das noch einmal deutlich zu machen: Hinter der Glasfassade der Stadthalle erstreckte sich ein steinernes Gebäude über elf Stockwerfe. An den Mauern dieses inneren Gebäudes wuchsen Pflanzen in die Höhe.

Garten im Inneren der Stadthalle

Oben endete das Gebäude in einer Kuppel. Die Tour begann unten im Foyer, erzählte einiges zu dem Garten und bat die Besucher sodann den Aufzug in den neunten Stock zu nehmen. Selbstverständlich war der Fahrstuhl gläsern, so dass man den Garten auch von oben betrachten konnte. Im neunten Stock hatte man eine Ausstellung komischer Gebilde aus Plastik, Schnüren und anderen Kuriositäten. Ich sah mich kurz um, doch verstand ich es nicht, weshalb ich bald weiterzog. Weiter oben in der Kuppel befand sich ein Café. Leider war das Glas oben abgenutzt und zerkratzt, so dass man den Ausblick nach draußen nicht wirklich genießen konnte. Daher drehte ich auch hier nur eine kurze Runde, stieg noch in den elften Stock hinauf, wo vereinzelte Sitzplätze versteckt waren, und verabschiedete mich wieder. Auf meinem Weg nach unten hinterließ ich noch ein Post-It mit Kommentar, weil Besucher dieser Etage explizit dazu aufgefordert wurden.

Post-It mit Kommentar im 10. Stockwert der Stadthalle

Der nächste Stopp dieser Besichtigung befand sich im Untergeschoss. Dort gab es neben künstlerischen Themen und dem Zugang zur Metro-Haltestelle auch einen Blick auf Ruinen, die beim Bau dieses Gebäudes zutage gefördert worden waren. Mann hatte Fundamente, Gehwege und Bewässerungssysteme gefunden. Daneben gab es noch Ausstellungsstücke zu Waffen, wie beispielsweise Pfeilköpfe oder riesige pfeilförmige Geschosse.

Alte Fundamente unter der Stadthalle

Pfeilgeschoss im Museum unter der Stadthalle

Nachdem ich auch mit dieser Ausstellung fertig war, hatte sich die Nacht langsam über Seoul gelegt, so dass ich den riesigen Weihnachtsbaum vor der Stadthalle in seiner leuchtenden Pracht bestaunen durfte. Er war blau.

Beleuchteter Weihnachtsbaum vor der Stadthalle

Ich zog dran vorbei und sah in der Ferne ein mir bereits vertrautes Denkmal: das Sungnyemun Tor.

Zügig marschierte ich hin, bestaunte es in seiner beleuchteten Pracht und genoss den Anachronismus, der sich mir hier bot. Während dieses Tor aus einem längst vergangenen Jahrhundert auf einer Straßeninsel stand, wurde es von zahlreichen Autos umfahren.

Sungnyemun Tor bei Nacht

Es ging weiter zum Namdaemun Markt, der zu dieser immer später werdenden Stunde immer noch gut besucht war. Kleine Stände mit verschiedenen Waren drängten sich in der Mitte der Fußgängerzone zusammen. Gesäumt wurden sie von Geschäften in Gebäuden. Street Food, Wahrsager, Kleidung, alles gab es an diesen urigen Ständen. Ich schlenderte ausgiebig umher und hielt die Augen nach zwei ganz besonderen Kostbarkeiten offen: Hoddeok und Socken. Hoddeok ist eine koreanische Süßspeise, ein leckerer, kleiner Pfannkuchen. Socken koreanischer Machart sind einfach nur ausgefallen, lustig und günstig. Letztes Jahr hatte meine Begleitung mich dafür verlacht, dass ich so viele Paar gekauft hatte. Doch schon kurze Zeit später war sie tief traurig, dass sie nicht mehr erstanden hatte. Dieses Jahr wollte ich mit einem Haufen zurückkommen und es an Freunde, Bekannte und Verwandte verteilen – nachdem ich meine Versorgung sichergestellt haben würde. Ich fand auch einige sehr schöne Exemplare, doch von Nachtisch war keine Spur in Sicht.

Nachdem ich jede erdenkliche Straße dieses Markts in Augenschein genommen und viele Stände beim Schließen beobachtet hatte, entschied ich mich für die Rückreise zum Hostel. Es war ein langer und ereignisreicher Tag gewesen, so dass ich mich auf ein bisschen Ruhe freute. Außerdem gab es da etwas ganz Besonderes, worauf ich mich freute.

Mein neuer bester Freund in Seoul hieß Konrad. Im Gegensatz zu Theodora war er ein hitziger Zeitgenosse, der es hervorragend verstand, mein Herz in dieser winterlichen Wunderlandschaft zum Schmelzen zu bringen. Er war ein Heizstrahler für den Innenbereich, jener, den ich mir tags zuvor an der Rezeption abgeholt hatte. In meinem grenzenlosen Leichtsinn ließ ich ihn auch nachts laufen, wenn auch auf verminderter Stufe. Denn das Heizdeckensystem hatte in meinen Augen versagt. Entweder eine dickere Decke oder höhere Außentemperaturen (im Zimmer) mussten her.

Konrad der Heizstrahler

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