Sonntag, 26. Juni 2016
Tokyo – August-September 2015
Am Morgen unserer Abreise aus Kyoto standen wir zeitig auf, aßen ein einfaches Frühstück, verabschiedeten uns von den Inhabern (sie bestanden auf ein Abschiedsfoto) und zogen los Richtung Kyoto Hauptbahnhof, um von dort unseren Bus nach Tokyo zu nehmen. Die wenigen Haltestellen mit der U-Bahn vergingen schnell, so dass wir uns innerhalb weniger Minugen in dem riesigen Komplex Kyoto Hauptbahnhof befanden. Um diese Uhrzeit waren die meisten Geschäfte und Schalter noch geschlossen, wodurch man beinahe den Eindruck einer postapokalyptischen Landschaft bekommen konnte. Es war nur zu sauber und ordentlich. Andrerseits, es war Japan, da konnte ich mir schon vorstellen, dass es nach der Apokalypse weiterhin so sauber war.

Dank präziser Beschreibung des Haltestellenstandpunktes wussten wir unser Ziel einzuschätzen: gegenüber des Bahnhofs vor dem Ibis-Hotel. Wir wussten zwar, wo sich die Haltestelle befand, nicht aber wie wir unseren Weg dorthin finden würden. Sinnvolle Wegweiser gab es nicht. Ich wage mittlerweile zu behaupten, dass der Hauptbahnhof in Kyoto meine neue Nemisis geworden ist und Kaufhäuser damit abgelöst hat. Selbst im Lotte Department Store fühlte ich mich niemals so verloren.

Zu unserem Bedauern gab es zu dieser frühen Stunde auch niemanden, den wir um Hilfe hätten bitten können. Die wenigen Gestalten, die außer uns durch den Bahnhof huschten, gaben sich große Mühe uns nicht zu nahe zu kommen. Wir stapften also drauf los, hielten an einem Umgebungsplan, lasen Schilder, sahen uns um, stapften weiter, fanden jemanden, den wir fragen konnten – erfolglos – gingen raus, sahen uns um, stellten fest, dass es in Strömen regnete, fanden das Hotel, sahen eine Baustelle, die uns von diesem trennte, folgten den Umleitungsschildern für Fußgänger, erinnerten uns an den Linksverkehr in Japan, übersahen beinahe die Ampel, wurden klatschnass, weil wir keine Regenschirme hatten, überquerten die Straße und stellten uns am Hotel schließlich unter. Wir hatten es geschafft!

Von der U-Bahn- bis zur Bushaltestelle brauchten wir 25 Minuten. Da wir ein solches Szenario an diesem Bahnhof erwartet hatten, waren wir sehr früh aufgebrochen, wodurch wir nun immer noch eine beachtliche Wartezeit hatten. Außerdem fuhr die U-Bahn um die Uhrzeit noch nicht in so dichtem Takt. Wir wollten kein Risiko eingehen.

Deutsch-pünktlich (also fünf Minuten vor der eigentlichen Uhrzeit) fuhr der Willer Expressbus Richtung Tokyo an unserer Haltestelle ein. Der Fahrer überprüfte unsere Namen und Fahrkarten, half uns beim Einladen des Gepäcks, gab uns unsere Sitznummern und wir nahmen die längste Busreise seit Beginn dieses Abenteuers auf uns. Neun Stunden waren hierfür angesetzt. Für diese lange Fahrt hatte man für die Gäste eine Erholungshilfe in Form von Schlafhauben eingebaut. Jeder Sitz verfüge über solch eine Vorrichtung. Egal, wie hell es im Bus oder draußen war, man hatte seine eigene, private, kleine, dunkle Nische, wenn man schlafen wollte.

Schlafhaube im Willer Expres Kyoto-Tokyo

Es dauerte nicht lange, da stellte sich bei uns der Fernreisetrott ein. Wir starrten aus dem Fenster, unterhielten uns, nickten weg, betrachteten die verregnete Landschaft und staunten immer wieder darüber, wie wenige Autos auf den Straßen zwischen den Städten unterwegs waren. Stellenweise fühlte ich mich an Franz Josef erinnert.

Zwischen Kyoto und Tokyo

Wie wir feststellten, waren die Fernbusfahrer in Japan äußerst verantwortungsbewusst, was dazu führte, dass wir mehrere Gelegenheiten zu einer ausgiebigen Pause hatten. Auf diese Weise lernten wir japanische Rasthöfe kennen. Es war ein spannendes und nennenswertes Erlebnis. Es begann damit, dass wir auf Rastplätzen verschiedener Größen hielten. Nichtsdestotrotz war ein jeder von ihnen gepflegt, bot Toiletten in ausreichender Anzahl und immer auch eine Möglichkeit sich etwas Essbares zu kaufen. Wahrscheinlich plante der Fahrer – oder sein Unternehmen – die Pausen so, damit genau diese Kriterien erfüllt waren.

Was uns beide faszinierte, waren die Toiletten. Obwohl mitten im Nirgendwo gelegen, waren es stellenweise High-Tech-Anlagen mit Optionen, von denen ich in Deutschland nicht einmal zu träumen wagen würden. Es fing recht harmlos an mit einem belegt/frei-System, das an ein modernes Parkhaus erinnerte.

Toilette mit Lichtern, die anzeigen, ob die Kabine belegt oder frei ist

Dann fanden wir Alters- und Größengerechte Waschbecken sowie Schminktische. Kindgerecht, altersgerecht, benutzerfreundlich. Es war alles auch sehr stylisch aufgebaut.

Für alle Größen geeignet

Lustiger wurde es, als wir in den Kabinen Instruktionen fanden. Dabei ging es nicht nur um den Gebrauch des High-Tech-Toilettensitzes mit diversen Funktionen, sondern auch um den japanisch korrekten Gebrauch der Toilette an sich.

Erklärungen für WC-Benutzung

(Da man die Beschriftungen auf diesem Foto nicht lesen kann, fasse ich das Nennenswerte hier zusammen: Bitte abspülen (zweimal); Bitte das Toilettenpapier nur in dieser Kabine benutzen und nicht in eine andere mitnehmen)

Das beste Feature war allerdings ein Bildschirm, den wir am Eingang einer Einrichtung vorfanden:

Navigation innerhalb der Toilette

Er zeigte den Besuchern nicht nur an, wo welche Kabine gerade frei war, nein, er informierte einen auch über die Ausstattung selbiger. Es gab westliche und japanische Toiletten, behindertengerechte und solche mit Kindersitz für Eltern, die ihre Kleinen nicht in jemandes Obhut lassen konnten oder wollten. Brillante Idee.


Nach viel zu vielen Stunden endlich in Tokyo, Shinjuku, angekommen, standen wir erneute vor der Aufgabe, mit der Bahn zu fahren. Immerhin war unser Ziel Asakusabashi – also fast das andere Ende der Stadt. Wir versuchten es gar nicht erst irgendwie selbst herauszufinden, sondern fragten gleich den nächsten Mitarbeiter am Schalter. Es war spät, wir waren müde und hatten Gepäck dabei. Ein freundlicher Mitarbeiter sagte uns sowohl welche Bahn wir nehmen mussten, als auch wo wir das Ticket dafür erstehen konnten. Mit diesen Informationen war es ein Kinderspiel.

Glücklicherweise war es von der Haltestelle Asakusabashi bis zu unserer Herberge nicht weit. In wenigen Minuten standen wir vor dem Gebäude, in dem sich das Anne Hostel Asukasabashi befand, gingen rein und wunderten uns, dass niemand an der Rezeption saß. Ein Schild setzte uns darüber in Kenntnis, dass die eigentliche Rezeption sich im vierten Stock befand und wir gerne dafür den Aufzug nutzen durften. Dieser war allerdings so klein, dass wir gerade so zu zweit mit Gepäck hinein passten. Als wir auf besagter Etage ankamen, musste ich rückwärts rausgehen, weil der Platz zum Drehen nicht reichte. Egal, wir waren sicher angekommen.

In einem viel zu kleinen Kämmerlein störten wir gerade eine Person beim Essen.

Rezeption im Hostel in Asakusabashi

Es war ein junger Mann, der uns trotz vollem Munde freundlich begrüßte. Er stellte die üblichen Fragen, wer seid ihr, woher kommt ihr, wo ward ihr, etc., während er unsere Reservierung prüfte. Allerdings brachte dieser Mitarbeiter sich selbst in eine moralische Schieflage, als er an den Grundfesten seines Weltbilds rüttelte, indem er uns die Frage stellte, wo es uns am besten gefallen hatte. Wahrheitsgemäß antworteten wir, dass Korea uns im Sturm erobert hatte, was dazu führte, dass der junge Mann sich beinahe an seinem Essen verschluckte. Ungläubig fragte er uns, warum dem so war. Die Antwort schien ihm auch nicht sonderlich zu gefallen. Wir hatten keinen guten ersten Eindruck hinterlassen. Doch professionell, wie er war, geleitete er uns zu unserem Zimmer und erklärte uns die Regeln der Herberge.

Am Eingang zu jeder Etage gab es eine Grenze, an der man seine Schuhe zurücklassen musste. Die Schlappen auf dem Schuhregal dienten auch nur dazu, um schnell zwischen den Etagen hin und her zu laufen, denn die eigenen Schuhe durfte man dort nicht abstellen. Stattdessen musste man sie in den Schließfächern vor den Zimmern unterbringen. Besagte Schließfächer rochen dementsprechend. Nachdem uns der Schlüssel übergeben wurde, machten wir es uns in unseren Betten so gemütlich wie es nur ging. Das war in Anbetracht der Umstände schon eine gewisse Herausforderung, da wir nicht mehr Platz als in OKI’s Inn hatten. Vier Betten in einem Zimmer, das für höchstens zwei ausgelegt war.

Unser Zimmer im Anne Hostel Asakusabashi

Aber man hatte sich beholfen, indem man in jedem Bett ein Regal am Fußende eingebaut hatte. Natürlich konnte man das auch als Tisch nutzen. Immerhin waren die Betten breit genug, um gemütlich drin zu schlafen. Allerdings hatten die Japaner das Prinzip von Kissen noch nicht so ganz verstanden. Während ich noch eine zwei Finger dicke Unterlage hatte, war Franziskas Exemplar von seltsamem Format. Zwar waren die Außenseiten rund zwei Finger dick, aber in der Mitte war ein Loch. Es schien einfach durchgelegen. Als Franziska nach Ersatz fragte, weil dieses Kissen nur Spott und Hohn war, guckte man sie an der Rezeption groß an und erklärte ihr, dass alle Kissen so seien. Wir hatten unsere Zweifel, das zu glauben. Es dauerte einige Zeit, bis man Ersatz gefunden hatte, und wir wurden eines Besseren belehrt: Auch dieses Kissen hatte ein Loch in der Mitte. Letzten Endes diente es nur den Schein zu wahren.

Lange blieben wir nicht auf unserem Zimmer. Denn die Reise hatte mich hungrig hinterlassen, wodurch wir uns erdreisteten, den jungen Mann erneut zu behelligen und ihn mit Fragen bezüglich der Umgebung, insbesondere Essensmöglichkeiten zu malträtieren. Mir tat der Mensch, der nicht in Ruhe essen konnte, beinahe leid. Doch er erfüllte seine Aufgabe hervorragend, sagte uns, wo es Restaurants gab, wies aber auch darauf hin, dass sie womöglich geschlossen waren. So langsam gewöhnte ich mich an den Gedanken, auch wenn er mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Wir brachen auf.

Der Einfachheit halber fasse ich nun alles Essen in Tokyo in einem Block zusammen.

Nichtsdestotrotz wagten wir uns in die dunkle Wildnis der Tokyoer Innenstadt, um ein warmes Mahl zu ergattern. Zuerst gingen wir auf die Hauptverkehrsstraße zu. Dann sahen wir uns um. Es war recht düster und bedrückend, was ausschließlich daran lag, dass so wenig Licht vorhanden war. Außerdem gingen nur wenige Leute die nasse Straße entlang. Nach einigem hin und her und Suchen fanden wir schließlich ein ansprechendes und geöffnetes Restaurant im ersten Stockwerk, in das wir sogleich einkehrten.

Als wir eintraten, begrüßte uns schon ein Kellner, der uns schnell einen Tisch zuwies. Es gab einige Kleinigkeiten, die uns ins Auge fielen: am Tisch gab es einen Klingelknopf, mit dem man den Keller rufen konnte; sehr viele Leute saßen alleine an Einzeltischen; eine Anzeige über der Kasse zeigte an, welcher Tisch als nächstes bedient werden würde.

Nach kurzer Betrachtung der Speisekarte entschieden wir uns für zwei unterschiedliche Gerichte, damit wir möglichst viel probieren konnten. Während Franziska sich für eine vegetarische Variante entschied, nahm ich Katsu Don.

Mahlzeit am ersten Abend in Tokyo

Tonkatsu

Das Essen war zwar gut, die Portion für mich allerdings entschieden zu klein, was meine Reisebegleitung aufzubessern versuchten, indem sie mir ihre Miso-Suppe gab. Gleichwohl war es schon bald Zeit, das Mahl zu beenden und uns auf den Weg zurück zur Herberge zu machen. Für den kleinen Hunger zwischendurch gab es unterwegs noch einen 7/11-Supermarkt. (Ja, es war auch unsere bevorzugte Bank.)


Ich genoss das Frühstück in unserer Herberge sehr. Es gab ein All-you-can-eat-Buffet mit Tee, Toast, Eiern und verschiedenen Sorten Marmelade. Was mir besonders daran gefiel, war der All-you-can-eat-Aspekt. Keine Einschränkungen, keine Überwachung, keine Restriktionen. Man kam morgens in den Aufenthaltsraum, nahm sich Teller und Lebensmittel, setzte sich und stand auf, wenn man fertig war. Sie baten darum, dass man sein Geschirr selbst spülte, aber das war nun wirklich kein Aufwand für diesen Service.

Frühstücksbuffet im Hostel


Da wir schon einmal in dem Heimatland von Tenpura waren, bestanden wir beide darauf, dieses köstliche Gericht in seinem Original zu probieren. Ich möchte hier anmerken, dass die japanischen Restaurants in meiner Heimatstadt Düsseldorf auch mitunter hervorragend sind, weil wir eine der größten japanischen Gemeinden außerhalb Japans haben, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir zum Ursprung zurückkehren wollten. Die weitberühmte Touristenmeile Asakusa war nur zwei Haltestellen entfernt, was es uns einfach machte einen Ausflug mit einem schmackhaften Mittagessen zu verbinden. Es gab verschiedene Varianten von Tenpura auf Nudeln, wobei wir uns für – wie gewohnt – verschiedene Menüs entschieden, um uns austauschen zu können. Es war hervorragend.

Tenpura-Variationen in einem Restaurant in Asakusa


An unserem vorletzten Tag in Tokyo suchten wir händeringend nach einem geeigneten Lokal für unser Mittagessen. Noch bevor wir einen Fuß in die Hauptstad Japans gesetzt hatten, war es beschlossene Sache, dass wir nicht kochen würden – aus Prinzip. Leider erwies sich das aufgrund mangelnder Lokalitäten immer wieder als Problem, zumal ich kalten Reis nicht mehr sehen konnte. Doch an einem der unwahrscheinlichsten Orte fanden wir dann doch ein noch unwahrscheinlicheres Restaurant: Im inneren Bereich der riesigen Haltestelle Ueno, also hinter den Ticketkontrollen, betraten wir ein indisches Restaurant, das auf schnellen Durchgangsverkehr eingestellt war. Wir entschieden uns für ein großes Fladenbrot mit unterschiedlichen Saucen und gemischtem Krautsalat. Das Ganze wurde auf einer Cafeteria-Platte aus Edelstahl serviert. Es war sehr schmackhaft, aber für mich dann doch zu wenig, weshalb ich mir mit einem großen Nachtisch half.

Indisches Essen in Tokyo


Auch in Tokyo ergab sich für uns die Möglichkeit bei CoCoCurry einzukehren.

Gericht 1 bei CoCoCurry

Die Größe der Reisportion verriet für gewöhnlich, wer welches Menü bestellte.

Damit war unsere kulinarische Reise in Tokyo auch schon abgeschlossen. Immerhin verbachten wir nur drei Tage in der Hauptstadt, was vor allem durch die lange Reise verschuldet war. Es war dennoch ein lohnenswerter Ausflug.


Während wir in Tokyo waren, ergab sich die Gelegenheit ein Volleyballspiel zu sehen. Der Fernseher im Aufenthaltsraum lief die ganze Zeit und wir waren gerade im Begriff unseren sozialen Verpflichtungen nachzukommen. Der einzige Grund, warum es uns nur ansatzweise interessierte, war, dass das Match zwischen Japan und Korea ausgetragen wurde. Die weiblichen Vertreter spielten gegeneinander. Wir beschlossen, uns diesen Spaß anzusehen.

Mit uns im Raum saß ein französischer Tourist, der seine Loyalität offen zur Schau trug. Eine große japanische Flagge war um seine Schultern geschlungen. Als wir ins Gespräch kamen und ihm offenbarten, dass wir für das koreanische Team waren, sprudelte pure Entrüstung aus ihm heraus, die er aufgrund seines schieren Unglaubens nur stotternd hervorbringen konnte. Seine Argumentationsweise hingegen war fadenscheinig. Er meinte, weil er gerade in diesem Land sei, Japan, wäre es nur natürlich für die japanische Mannschaft zu sein. Ich fragte mich, ob er nicht zugeben wollte, dass Manga und Anime sein Herz erfüllten, oder ob er sich einfach nur bei den Einheimischen einschleimen wollte. Wie dem auch sei, eine gespannte Stimmung entbrannte in dem kleinen Raum. Obwohl wir die meiste Zeit nur zu dritt waren, konnte man die Spannung fast schon greifen. Ich übertreibe. Nichtsdestotrotz wurde aus seiner Prophezeiung, dass dies eine einfache Partie für Japan werden würde, nichts. Die Koreanerinnen schlugen sich mitunter sehr gut, ließen zum Schluss allerdings nach. Ich holte zwischendurch Abendessen, so dass wir mit Snacks das Spiel genießen konnten. Dank unseres Nachbarn wurde es äußerst unterhaltsam. Als es vorbei war, ließ es sich der junge Mann nicht nehmen, seine Freude ob des japanischen Sieges offen zur Schau zu tragen. Wir schmunzelten.


Asakusa
Natürlich führte kein Weg an Asakusa vorbei, wenn wir uns wie richtige Touristen benehmen wollten. Da Franziska diese Touristenmeile noch nicht kannte, stand sie ganz oben auf unserer Liste. So brauchen wir eines Tages auf, uns ins Getümmel zu stürzen und diesen Ort auf uns wirken zu lassen. Für all jene, denen Asakusa kein Begriff ist, versuche ich die Umgebung in Worte zu fassen.

Es war ein Teil der Stadt, in dem traditionell gebaute Gebäude auf den Konsumdrang unserer Generation trafen. Das riesige Eingangstor war mehr Zierde denn funktioneller Natur.

Eingang zu Asakusa

Menschenmassen umströmten diesen Koloss, gingen hindurch und daran vorbei, blieben stehen, um Fotos zu machen (so wie wir), wuselten sich durch die Menge, zu der sie selbst gehörten. Trotzdem war es nicht ganz so voll, weil die Saison sich gerade ihrem Ende neigte.

Hinter diesem Tor breitet sich eine breite Straße aus, die links und rechts von kleinen Hütten gesäumt wurde.

Verkaufshäuschen links und rechts

Diese Hütten beherbergten Verkaufsstände und Geschäfte jeglicher Art. Man konnte hier allerlei Souvenirs kaufen, denn es war für jeden Geschmack etwas dabei. Von wirklich nützlich und schick hin zu Blödsinn, den man bestenfalls an die fünfjährige Nichte mit Glittermanie weitergeben konnte. Wie beispielsweise wunderbar verzierte Stäbchen. Daneben fand sich Krimskram, den wirklich kein Mensch braucht, wie beispielsweise Miniquietschkatanas.

Hatte man einmal diesen Verkaufswahnsinn hinter sich gebracht, kam man durch ein zweites Tor auf einen Vorhof, an dem nur noch spirituelle Kleinigkeiten erworben werden konnten. Am Ende dieses Hofes stand ein großer Tempel.

Tempel in Asakusa

Wir drehten einen Runde, betrachteten alles, inklusive Nebenstraßen, machten Pausen, machten Fotos und kauften einige Kleinigkeiten. Franziska fand einige Accessoires für ihr Bento; auf mich warteten einige Flaggen, die ich an meinen Globetrotterhut nähen konnte.

An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass Asakusa nicht aus bloß dieser einen weitberühmten Einkaufspassage bestand. Es gab zahlreiche Straßen und Gässchen drum herum, die uns ein vielfältiges Angebot boten. Es gab eine Mischung aus alt aussehenden und neueren Gebäuden, die in teils kuriosen Arrangements nebeneinander standen.

Nebenstraße

Wenn man sich ein bisschen Zeit nahm und die Gegend um dies eine Straße herum erkundete, konnte man interessante Sachen finden. Daher rate ich jedem Interessenten, sich für einige Zeit von den Massen abzukapseln und eigene Wege zu gehen. Alternativ kann man auch eine Rikscharundfahrt machen. Wir waren zu Fuß allerdings gut unterwegs und erledigten alles auf unsere Weise, bevor wir wieder weiterzogen.


Unsere Abenteuer mit dem Schienennetz nahm einfach kein Ende. Wir wollten von Asakusabashi nach Tokyo Station fahren. In der U-Bahnhaltestelle fand sich auch ein schöner Plan, den ich sogar lesen konnte. Auf diesem stand geschrieben, dass wir zweimal umsteigen und insgesamt 280 Yen pro Person bezahlen müssten. Leider spuckte der Automat keine Fahrkarten mit diesem Betrag aus, so dass wir uns gezwungen sahen, einen Bahnangestellten zu behelligen. Dieser klärte uns darüber auf, dass wir nicht, wie geplant, mit der U-Bahn fahren konnten, sondern die JR nehmen mussten. Die Haltestelle dieses Verkehrsunternehmens befand sich außerhalb des Gebäudes. Er wies uns den Weg und ließ uns von dannen ziehen.

Der Fahrplan in der JR-Haltestelle war alles andere als leserlich, da keiner von uns Kanji verstand, was dazu führte, dass wir den nächsten Angestellten behelligen mussten, um zu erfahren, wie wir zu unserem Ziel gelangen könnten. Dafür mussten wir uns erst einmal in eine Schlange stellen. (Schlangestehen scheint Nationalsport in Japan zu sein, denn die Japaner machen es bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Es erinnerte mich ein bisschen an den Kommunismus in Polen, als die Leute sich sofort in eine Schlange stellten, als sie daran vorbei gingen, weil gerade etwas Nützliches hätte geliefert werden können. Wie dem auch sei.) Der Herr hinter der Glasscheibe erklärte uns nicht nur, welches Ticket wir brauchten, sondern er stellte es aus und wies uns den Weg inklusive der Haltestelle, an der wir umsteigen mussten. Das fanden wir äußerst freundlich und hilfreich.

Was in Tokyo Station und an anderen Plätzen geschah, wird gesondert behandelt, ich möchte mich in diesem Abschnitt nur auf die Fahrerei mit den öffentlichen Verkehrsmitteln konzentrieren.

Die Fahrt von Tokyo Station nach Ueno war fast schon ein Kinderspiel. Die größte Schwierigkeit bestand im Kauf einer Fahrkarte, weil der Liniennetzplan mal wieder nicht in europäischen Buchstaben dargestellt war. Ich frage mich langsam, wie ein Land mit so vielen Touristen pro Jahr es sich überhaupt erlauben konnte, so nachlässig zu sein. Das ist doch Spott und Hohn den Besuchern gegenüber. Niemand soll mir noch einmal mit Servicewüste Deutschland kommen – die Japaner machen uns da enorme Konkurrenz.

Wir fragten die nächste Bahnangestellte, welches Ticket wir brauchten, und kamen nur auf diese Weise an unserem Ziel an.

In der Nähe von Ueno gab es die U-Bahnhaltestellte Ueno -okachimachi, die eine bessere Verbindung mit weniger Umsteigen nach Asakusabashi gewährleistete. Wir fanden die Haltestelle, fanden das richtige Ticket, fanden die Haltestelle zum Umsteigen und fuhren los. Als wir dann in die andere Bahn steigen wollten, stellten wir fest, dass wir dafür die U-Bahn verlassen mussten, 200 Meter oberirdisch einem ausgeschilderten Pfad zu folgen hatten, um dann wieder in das U-Bahnnetz einzutauchen. Dies war aber nicht so einfach, weil man den richtigen Eingang nehmen musste, um am richtigen Gleis anzukommen. Natürlich schafften wir dies nicht auf Anhieb – und fragten somit den nächsten Mitarbeiter, der uns zu unserem Gleis lotste. Dafür mussten wir durch die Kontrolle, bis zum Ende dieses Gleises, dort die Treppe runter, durch die Unterführung und auf der anderen Seite wieder hoch.
Ich fing langsam an die Deutsche Bahn zu vermissen, weil ich dort wenigstens die Beschilderung lesen und die unfreundlichen Mitarbeiter anpflaumen konnte. Glücklicherweise war das System so intelligent, dass wir bei dieser Aktion nicht noch zuzahlen mussten.


Zurück zu Tokyo Station

Ein weiteres Ausflugsziel war der Bahnhof Tokyo. Da wir schon unfreiwilligerweise das Ungetüm in Kyoto hinter uns gebracht hatten, dachten wir uns, dass wir auch einen Blick in das Pendant der Hauptstadt werfen sollten, zumal es als Sehenswürdigkeit angepriesen wurde. Unweit dieses Bahnhofs versprach die Kitte-Mall Einkaufsvergnügen für jedermann. Aus diesem Grund planten wir dort unser Mittagsmahl einzunehmen. In solch einem groß umworbenen Komplex würde sich mit Sicherheit etwas zu essen auftreiben lassen.

Kaum waren wir an der Tokyo Station angekommen, wuselten wir uns durch die Menschenmassen zum richtigen Ausgang, um möglichst zügig an unserem Ziel anzukommen. Wir erwarteten, dass wir noch einige Minuten zu Fuß gehen mussten, doch dem war überraschenderweise nicht so. Kaum waren wir aus dem Bahnhofsgebäude raus, standen wir vor der Mall. Ich blinzelte verwundert. Auf der Stadtkarte sah es weiter weg aus. Wir zuckten die Schultern, überquerten die einzige Straße und tauchten ins Einkaufsvergnügen ein.

Oder auch nicht. Die Kitte-Mall war… ernüchternd.

Die Kitte-Mall von innen

Es erinnerte mich stark an die Arkaden zu Hause, in Deutschland. Funktional, schmucklos, mittlerweile wenigstens hell, wahrscheinlich mit einem Designer-Stempel irgendwo drauf, aber trotzdem nichts fürs Auge dabei. Ein überdachter Hof, dessen Wände mit Galerien versehen waren, um Geschäfte unterzubringen, lag vor uns. An Stelle von Geländern hinderten gläserne Fassaden die Menschen vor dem Sturz in die Tiefe.

Im Grunde war es ein ausgehöhltes Dreieck, das mit viel Glas und Marmor auf Hochglanz poliert worden war, dabei aber jeglichen Inhalts entbehrte. Es war langweilig und steril. Es mit der Lotte Mall in Busan vergleichen zu wollen, hieße Te Papa mit dem Senkenbergmuseum in Frankfurt zu vergleichen – und das kann ich nicht reinen Gewissens über mich bringen.

Obwohl wir einen Lageplan inklusive Gourmet guide hatten, fiel es uns schwer ein passendes Lokal zu finden, in dem wir hätten essen können. Das lag einfach daran, dass die lecker aussehenden Sachen nicht in unserer Preiskategorie lagen. Aus diesem Grund entschlossen wir uns spontan dafür, irgendwo anders einzukehren, auch wenn wir uns darüber im Klaren waren, dass die Suche noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen könnte. Statt zu speisen erkundigten wir diese Arkaden von oben bis unten.

Immerhin hatten sie versucht, das Dach dieser trostlosen Einrichtung ein bisschen aufzupeppen, indem sie ein bisschen Grün hinstreuten. Dieses Bisschen war aber eine große Fläche, die ausschließlich aus Rasen bestand und nicht betreten werden durfte.

Dachterrasse der Kitte-Mall in Tokyo

Ich gebe ihnen Punkte für den bloßen Versuch.

Die Aussicht war allerdings nennenswert. Wir hatten von dort oben eine herrliche Sicht auf die Ausmaße des Bahnhofs Tokyo. Er war riesig, pompös und erinnerte an ein längst vergangenes Jahrhundert, obwohl er gerade erst 1914 eröffnet worden war. Beeindruckend war er auf jeden Fall. Die rot-weiße Fassade mit dem schwarzen Dach, das an mehreren Stellen in wuchtigen Kuppeln aufgebäumt war, erweckte den Eindruck eins überragenden Selbstbewusstseins. Um dieses Bauwerk versammelten sich die Hochhäuser des Glas-Beton-Zeitalters. Ich bin mir sicher, dass dieser Prachtbau noch imposanter gewirkt hatte, als die neueren Ungetüme noch nicht darüber thronten. Letztlich war sogar die Kitte-Mall ihren gerade einmal sechs Stockwerken höher.

Der Hauptbahnhof Tokyo von außen

Nach einiger Verweildauer und einem gründlichen Rundumblick war es für uns Zeit aufzubrechen und weiterzuziehen. Die Zeit drängte, denn wir hatten nur wenige Tage in dieser Metropole zu unserer Verfügung. Wir gingen wieder in den Bahnhof, kauften einen Fahrschein und hofften, in dem riesigen Bereich hinter den Schranken ein Restaurant zu finden. Doch außer einigen To-Go-Schaltern gab es nichts Nennenswertes, weshalb wir uns für die Weiterreise entscheiden. Jedenfalls fanden wir nichts mit Sitzgelegenheiten. Wir nahmen also den nächstbesten Zug Richtung Ueno.

Es ereignete sich etwas, womit ich zu Lebzeiten nicht gerechnet hätte. Der Zug fuhr einfach nicht ab. Wir standen in der Bahn und warteten... und warteten… und warteten. Nach kurzer Zeit kam eine Durchsage, die wir natürlich nicht verstanden, doch die Bahn fuhr immer noch nicht weiter. Wir hatten tatsächlich mehrere Minuten Verspätung! Im Nachhinein erfuhren wir etwas von Personen auf den Gleisen. Selbstverständlich hatte ich Verständnis für den Stillstand des Zuges, aber es war dennoch überraschend.

In Ueno angekommen, standen wir nun wieder in diesem Bereich hinter den Schranken, der erstaunlicherweise entschieden größer war als Tokyo Station. Es gab sogar ein Pfahl mit Richtungsweisern, damit die Leute sich nicht verliefen.

Wegweiser in Ueno Station

Geschäfte mit allen möglichen Waren gaben sich hier die Hand noch bevor man in die belebte Einkaufszone in Ueno eintauchte. Doch wir schafften es, uns loszureißen und die Straße draußen in Angriff zu nehmen.

Wenn man den richtigen Ausgang an der Haltestelle Ueno nahm – was wir taten –, musste man nur eine Straße überqueren, um in eine Fußgängerzone voller Geschäfte zu gelangen. Ähnlich wie in Asakusa gab es hier Traditionelles neben Modernem. Andres als in Asakusa zählte kein riesiger Tempel mit dazugehöriger Pagode zu den Hauptsehenswürdigkeiten. Es ging einfach nur ums Einkaufen. Hier verrichteten die Japaner ihre täglichen Einkäufe: Lebensmittel, Einrichtungsgegenstände, Bekleidung, etc. Es war ein natürlich gewachsener Straßenzug ohne künstlerisches Tamtam.

Einkaufsstraße in Ueno

Ich erinnerte mich daran, dass ich auf dieser Straße vor Jahren mal eine schöne Teedose gekauft hatte, weshalb wir die Fußgängerzone auf und ab liefen, um diesen kleinen Laden wiederzufinden. Leider erfolglos. Immerhin fand Franziska ein Kleidungsstück, das ihr gefiel. Allgemein sprach uns nicht viel an, obwohl es ein großes Angebot gab. Kleine Einkaufsbuden kuschelten sich an größere Häuser, die wiederum an große Einkaufszentren grenzten. Nach einiger Zeit des Schlenderns und Schauens machten wir uns wieder auf den Weg in die Herberge.


Flussufer in der Nähe des Hostels
Ein kleines Ausflugsziel, das kaum der Rede wert scheint, aber uns dennoch gut gefiel, war die Fußgängerpromenade am Flussufer nicht weit Anne’s Hostel. Hier hatten wir einen schönen Ausblick auf das gegenüberliegende Flussufer mit dem Tokyo Skytree, der dann doch ein bisschen karg und traurig aussah, was vermutlich vom Wetter mit beeinflusst wurde.

Tokyo Skytree gesehen vom Westufer des Sumidagawa Flusses

Da es gerade zu regnen begann, machten wir uns nicht die Mühe die Promenade noch entlang zu flanieren. Zum Flanieren waren außerdem zu wenige Leute da. Aber der Blick auf die wohlbeschaffene Promenade links und rechts von uns, mit genügend Platz für zahlreiche Passanten und Auflockerungen durch grüne Pflanzeninseln, verschaffte uns ein Gefühl davon, wie es hier wohl an einem sonnigen Samstagnachmittag aussehen könnte.


Kurz vor unserer Abreise aus Tokyo stellten wir fest, dass wir nicht genug Geld hatten, um die letzten Tage zu überstehen. Gleichzeitig wollten wir nicht an einem 7/11-Automaten abheben, weil 100 €, selbst für uns beide zusammen, zu viel gewesen wären. Wir brauchten nur noch ein bisschen Taschengeld, um für die letzten Mahlzeiten und einen eventuellen Notfall aufzukommen. Also kamen wir auf die glorreiche Idee, Geld umzutauschen. Schließlich hatten wir genug Bares dabei – in neuseeländischer Währung jedenfalls. Aus diesem Grund stürzten wir wieder mal an die Rezeption unseres Hostels und behelligten die freundliche Mitarbeiterin, um zu erfahren, wo es die nächstbeste Bank gäbe.

Wir hatten Glück, denn auf dem Weg zur Metrohaltestelle fand sich schon ein Geldinstitut, das unsere Bedürfnisse zu decken vermochte. So spazierten wir ebenso selbstsicher wie verwirrt in die Lobby dieses Gebäudes, sahen uns um und wussten nicht weiter. Das war aber überhaupt kein Problem, denn nach kurzer Zeit fanden wir einen Automaten vor, an dem wir eine Nummer ziehen konnten, um zum Schalter vorgelassen zu werden. Gesagt, getan. So warteten wir seelenruhig, bis wir an der Reihe waren, gingen zum Schalter, legten unseren Fall vor, woraufhin wir erneute eine Nummer ausgehändigt bekamen, mit der wir uns bitte in den ersten Stock begeben sollten, wo solche Anliegen behandelt wurden.

An diesem Punkt fing es an, interessant zu werden. Aus Mangel an Alternativen folgten wir dem Prozedere. Oben angekommen begrüßte uns eine weitere, äußerst freundliche Mitarbeiterin. Sie nahm unsere Nummer entgegen, nickte freundlich und händigte uns ein weiteres Stück Papier mit einer Nummer drauf aus, während sie zu ihrer Linken deutete, wo der nächste Schalter uns erwartete. Ich versuchte mich damit zu trösten, dass wir wenigstens im Trockenen waren und unser triefender Regenschirm lustige Muster auf dem Fußboden hinterließ.

Bei der mittlerweile dritten Bankmitarbeiterin kamen wir mit unserem Anliegen wenigstens weiter. Sie erklärte uns in gutem Englisch, dass der Umtausch von neuseeländischen Dollarn nicht das geringste Problem darstellte, wir allerdings eine Gebühr zu entrichten hatten. Das war halb so wild, schließlich hatten wir damit gerechnet. Wir entschieden uns für einen gemeinsamen Umtausch, damit wir die Gebühr nicht zweimal zahlen mussten. Daraufhin reichte sie uns einen Antrag, den wir auszufüllen hatten, was sich allerdings recht schwierig gestaltete, weil wir weder eine Anschrift noch eine Telefonnummer in Japan hatten. Die Bankangestellte half uns freundlich weiter, musste dafür dann aber doch eine Kollegin zu Rate ziehen. Als all der Papierkram zur Zufriedenheit aller Anwesenden erledigt war, nahm die Dame unser Geld sowie die Dokumente und tauschte diese gegen eine Bearbeitungsnummer ein. Nun durften wir uns auf eine bereitstehende Bank setzen und darauf warten bis unsere Nummer aufgerufen wurde, um zu signalisieren, dass unser Antrage bearbeitet worden war und das Geldinstitut bereit zur Auszahlung war. Es ist lohnenswert zu erwähnen, dass wir zu dieser Zeit die einzigen Kunden auf dieser Etage waren. Die Bearbeitung ging eher zügig vonstatten (es sah so aus, als würden sie die neuseeländischen Geldscheine einfach nur auf Echtheit prüfen), so dass wir nach kurzem Warten wieder zurückgerufen wurden und einige japanische Banknoten in Empfang nehmen durften.

Es war zwar ein äußerst komplizierter Vorgang, dessen minutiöse Ausführung in Anbetracht der Umstände an Besessenheit grenzte. Nichtsdestotrotz erhielten wir am Ende das, was wir wollten, und hatten keinerlei Probleme mit der Bank. Finanziell frisch gewappnet zogen wir wieder in die Wildheit dieser Millionenmetropole.

Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass der Weltuntergang in Japan äußerst unspektakulär wäre und die Leute einen Tag danach trotz widriger Umstände pünktlich zur Arbeit eschreinen würden.


Shibuya
Für unseren letzten Aufenthaltstag in Japan – und bei unserer kleinen Weltreise – nahmen wir uns ein strammes Programm vor. Unser Flug ging erst spät abends, so dass wir uns Zeit für Abenteuer versprachen. Wir checkten aus, ließen unser Gepäck in der Herberge und brachen frohen Mutes auf. Unser erstes Ziel war das das nicht allzu weit entfernte Shibuya.

Vielleicht sind einige Leute mit dem Anblick von Shibuya vertraut: Es ist diese riesige Kreuzung im Zentrum von Tokyo, an der auf einmal alle Fußgängerampeln auf Grün springen und Fluten von Menschen gleichzeitig die Straße überqueren. Ja, wir waren dort. Und ehrlich gesagt, waren wir enttäuscht. So riesig war die Kreuzung gar nicht, nein, ich würde sie nicht einmal als groß bezeichnen. Die Kreuzung zweier Hauptverkehrsstraßen in Auckland auf dem Weg in die Innenstadt war größer gewesen. Es waren an diesem Tag zu dieser Uhrzeit auch nicht so viele Menschen anwesend, dass man es als überfüllt hätte bezeichnen können. Wir hatten tatsächlich so viel mehr erwartet, dass wir mehrere Minuten lang nach einer weiteren Kreuzung in der Nähe der Haltestelle suchten, weil wir davon überzeugt waren, dass es das nicht sein konnte. Falsch gedacht, hier waren wir richtig.

Die Aussicht an der berühmten Kreuzung Shibuya

Dieser kleine moralische Rückschlag sollte uns nicht davon abhalten, einen schönen Tag zu verbringen. Wir holten aus und stapften tapfer in die nächstbeste Straße, um uns dem Charme dieses Stadtteils zu ergeben. An diesem sonnigen letzten Tag in einem fremden Land streiften wir durch große und kleine Straßen, betrachteten moderne Gebäude, sahen uns in verschiedenen Geschäften um und suchten schließlich wieder eine halbe Stunde nach einem Lokal, in dem wir zu Mittag essen konnten, weil wir davon überzeugt waren, irgendwo ein CoCo Curry gesehen zu haben. Wir wurden fündig und erlebten den erfrischenden Kontrast zwischen tiefgekühltem Verkaufsraum (er war klimatisiert) und heißem Curry.


Damit lief unsere Zeit in der Fremde ihrem Ende entgegen und ich sinnierte über die seltsamen Parallelen, die wir in Japan zu Deutschland gefunden hatten.

• Da gab es die Restaurants mit ihren absonderlichen Öffnungszeiten, insbesondere einer Mittagspause, während ich hungrig war. Ja, das ist in Deutschland normal.
• Begleitet wurde diese Erscheinung von einem viel zu komplizierten Bahnsystem, das nicht einmal Einheimische verstanden. Zugegeben, es ist noch verwirrender als in Deutschland, aber es weckte eine gewisse Heimatverbundenheit.
• Die ganzen Straßenzüge ohne Geschäfte auf Hauptverkehrsstraßen waren weitere Faktoren, die mir seltsam vertraut vorkamen, allerdings alles andere als Heimatliebe weckten.
• Schließlich möchte ich noch die japanischen Geschäftsleute erwähnen, die in ihrer Kleidungsauswahl das ganze Spektrum von Schwarz bis Hellgrau ausschöpfen, um bloß nicht allzu viel Charme und Schalk in ihrer Garderobe erkennen zu lassen.


Am Ende fand ich doch ein Schild, das meine Beziehung zu Japan kurz zusammenzufassen vermag:

Café Danke

Denn ich weiß, dass wir nicht immer die besten Touristen waren. Trotzdem durften wir uns dieses vertraut-fremde Land doch ohne ernstzunehmende Schwierigkeiten ansehen.

... comment