Sonntag, 1. Mai 2016
Don Quijote
Bei den Vorbereitungen für unsere Reise dachte ich selbstverständlich daran zumindest ein wenig Lesematerial mitzunehmen. Immerhin schätze ich Lesen sehr und konnte mir nicht vorstellen, dass ich keine einzige freie Minute haben würde, um mich zumindest ein wenig in eine Lektüre zu vertiefen. Gleichzeitig musste ich das Volumen und Gewicht meines Gepäcks berücksichtigen, was für mich – in Ermangelung eines elektronischen Lesegeräts – bedeutete, dass ich mich beschränken musste. Ich entschied mich für zwei dicke Bücher. Dies hatte zwei Gründe: Zum einen hätte ich sie im Zweifelsfall auch in meinem Rucksack verstauen können. Zum anderen versprach ich mir davon zumindest einen Teil meiner Zeit füllen zu können.

Dennoch wollte ich nicht irgendwelche Schätze mitnehmen, von denen mein geistiges und körperliches Wohl abhing, denn ich hatte schon die Erfahrung gemacht, dass der Aufenthaltsort von meinem Gepäck und mir nicht immer derselbe war. Eines der beiden Bücher, für das ich mich entschied, war Don Quijote. Dieses Buch hatte ich mir zu Bachelorzeiten besorgen müssen, doch ich hatte es nie ganz gelesen. Mit dieser langen Reise witterte ich eine einzigartige Gelegenheit. Ich würde das Buch bestimmt lesen, wenn mich nichts anderes davon ablenkte. Immerhin zählte es zu Weltliteratur.

Ja, ich fasse mich kurz: Don Quijote braucht dringend eine Neuübersetzung. Der jahrhundertealte Schreibstil ist einfach nur anstrengend und viel vom Witz geht verloren, wenn man mit der Sprache zu ringen hat. Vielleicht ist es ein gutes und bedeutendes Buch, aber ich habe es zu hassen gelernt. Da ich stellenweise wirklich nichts Besseres zu tun hatte, las ich es dennoch zu Ende.

Aber das ist in diesem Beitrag nicht der springende Punkt. Worauf es mir ankommt, ist, dass Don Quijote mich auf dieser Reise verfolgte. Während ich das Buch als über drei Kontinente, sieben Länder und unzählige Städte mit mir trug, gab mir das Universum auch dann einen Hinweis auf seine Existenz, wenn ich es mal nicht in Händen hielt.

Bei einem unserer Besuche des Nationalmuseums in Seoul mussten wir wegen Bauarbeiten einen anderen Weg gehen. Wir kamen an einer Bushaltestelle vorbei, in der große Werbeposter ihre Botschaft verbreiteten. Sie machten auf das Musical „Man of la Mancha“ aufmerksam. Auch wenn ich die Sprache nicht verstand, so war das skizzierte Bild auf gelbem Hintergrund mehr als deutlich.

Man of la Mancha

Es folgte eine Begebenheit in Tokyo, die etwas größere Ausmaße annahm. Im Bestreben ihre Bento-Sammlung ein bisschen zu erweitern, führte meine Reisebegleitung mich in einen Laden, der Bento-Zubehör zu günstigen Preisen anbot. Es war ein Geschäft mit großer Verkaufsfläche, die sich über mehrere Etagen zog. Der Name des Ladens war: Don Quijote.

Asakusa Don Quijote

Als ob das nicht genug wäre, erwartete mich ein weitere Don Quijote zu Hause. Während meiner kleinen Weltreise hatte auch eine Freundin von mir ihre Koffer gepackt und einen Abstecher nach Spanien gewagt. Als riesiger Fan von Postkarten bat ich sie natürlich darum mir eine zu schicken. Sie war so freundlich, dieser Bitte nachzukommen, und schickte mir eine ansehnliche Postkarte mit dem Bild von Casa Batlló in Barcelona. Auf der Rückseite dieser Karte prangerte groß der Ritter von der traurigen Gestalt.

Briefmarke aus Spanien 400 Jahre Don Quijote

Damit war meine persönliche Geschichte mit dieser tragischen Figur noch nicht abgeschlossen. In meinem Bekanntenkreis ist es mittlerweile weitbekannt, dass mein Vater sich der Sammlung von Münzen gewidmet hat, insbesondere der Sonderprägungen von 2-€-Münzen. So wartete auf mich nach meiner Rückkehr ein kleiner Schatz, den ich eingehend untersuchen durfte, um festzustellen, was mein Vater noch nicht sein Eigen nennen konnte. Darunter war – selbstverständlich – Don Quijote.

2-Euro-Sonderprägung Don Quijote

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