Sonntag, 28. Mai 2017
Sylvester in Seoul - Rückflug
Pünktlich um viel zu früh Uhr morgens klingelte mein Wecker. Die Nach war, wie erwartet, äußerst kurz und unruhig gewesen, wodurch ich nicht sonderlich frisch aussah. Schnell packte ich meine restlichen Habe, steckte wieder alle Stecker ein, prüfte viermal, ob ich alles mitgenommen hatte und zog von dannen. Den Schlüssel ließ ich an der Rezeption zurück, weil um die Uhrzeit noch niemand da war und es hier so üblich war. Frühstück gab es auch nur auf die Schnelle, aber immerhin hatten die Geschäft in der Umgebung schon geöffnet, so dass ich nicht mit leerem Magen reisen musste.

Danach ging alles recht routiniert: Metro in die richtige Richtung nehmen, an der richtigen Haltestelle umsteigen, nächste Metro in die richtige Richtung nehmen, bis zum richtigen Flughafen fahren, aussteigen, einchecken.

Bis zum Flughafen und dem Einchecken ging auch alles reibungslos. Ich war mehr als neunzig Minuten vorher anwesend, die Schlange am Schalter war kurz, so dass ich mein Gepäck schnell abgeben konnte, und ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass ich mich doch bitte noch einige Minuten in der Halle aufhalten sollte, für den Fall dass es mit meinem Gepäck Probleme geben sollte. Ich nutzte die Gelegenheit, um mir die Deko am Flughafen noch ein bisschen näher anzusehen.

Weihnachtsdekoration am Flughafen in Seoul

Mehr Weihnachtsdekoration am Flughafen von Seoul

Da keine Notwendigkeit für die Durchsuchung meines Gepäcks bestand, wollte ich zum Gate. Leider gab es viele andere Leute, die ebenso dachten. Sehr viele andere Leute. Als ich das Ende der Schlange fand, sah ich ein Schild einige Schritte vor mir, auf dem Stand, dass es ab diesem Punkt ca. 30 Minuten dauern würde, bis man zur Kontrolle kam. Ich war mir nicht sicher, ob das ihr Ernst war. Leider stellte es sich heraus, dass sie weder scherzten, noch übertrieben. Man musste wirklich über eine halbe Stunde anstehen, bevor man auch nur in die Nähe der voll besetzten Kontrollstellen kam.

Als ich mit dem ganzen aus- und wieder anziehen durch den Scanner war, blieb mir nicht mehr viel Zeit, um zu meinem Gate zu gelangen. Dachte ich jedenfalls. Zügigen Schrittes wuselte ich mich durch die Menschenmassen und stand rechtzeitig vor meinem Gate, nur um zu erfahren, dass der Flug verspätet stattfinden würde. Ich zuckte die Achseln und sah mich noch ein bisschen in der Nähe um. Es gab schöne Pflanzen, viele Sitzgelegenheiten, Duty Free Shops und natürlich die Annehmlichkeiten für Reisende besserer Flugklassen. Natürlich war ich dort nicht willkommen.

Pflanzenwelt am Flughafen von Seoul

Blumen am Flughafen von Seoul

Schließlich, eine Stunde später als angekündigt, durften wir einsteigen. Ich schnappte mir eine kostenlose Zeitung, nahm meinen Platz ein, machte es mir bequem und schlief erst einmal eine Runde oder zwei. Tatsächlich verbrachte ich den Großteil der Flugzeit mal wieder in einem wenig erholsamen Dämmerschlaf, der nur von verschiedenen Mahlzeiten gestört wurde. Snack, Abendessen, Frühstück.

Abendessen im Flugzeug nach Paris

Frühstück im Flugzeug nach Paris

Auf meinem Rückflug von Seoul nach Düsseldorf, besser gesagt auf der langen Strecke nach Paris, saß ich neben einer reizenden, jungen Dame, mit der ich mich recht gut verstand. Wir unterhielten uns nicht die ganze Zeit, dafür war bei meinem Schlafbedürfnis keine Platz, aber ab und an warfen wir einige Gesprächsfetzen in den Raum, die zu einer kurzen und anregenden Unterhaltung führten. Besonders lustig war unsere Essenswahl: Während meine Sitznachbarin offensichtlich koreanischer Abstammung war, bestellte sie das europäische Menü, wohingegen ich, offensichtlich europäisch, mich für das koreanische Essen entschied. Das veranlasste uns zu einer lustigen Unterhaltung über Klischees und wie man sie umgeht.

Dank des verspäteten Abflugs in Seoul war eher der Anschluss in Paris gefährdet. Dort musste ich mich wirklich beeilen. Es ging wieder mit Bussen und Rolltreppen auf und ab, das Terminal war irgendwo abseits, das Gate wurde erst kurz vor dem Boarding angeschlagen, so dass man in einer riesigen Wartehalle mit zahllosen Sesseln auszuharren hatte. In diesem Terminal hatte ich nur fünf Minuten Zeit, bevor das Gate angeschlagen wurde und aufmachte. Innerhalb von zwanzig Minuten waren wir bereit zum Start und es ging weiter. Es war eine Aktion Hals über Kopf, was wiederum den Vorteil hatte, dass man hier nicht mehr so lange verharren musste. Natürlich gab es einen Snack. Tja, und dann war ich wieder in Düsseldorf, holte mein Gepäck ab (es war trotz knapper Umsteigezeiten mitgekommen) und stiefelte nach Hause. Seoul lag wieder einmal tausende von Kilometern entfernt. Der Alltag stand vor der Tür…

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Sonntag, 21. Mai 2017
Sylvester in Seoul - Tag 8
Wie bei meinem letzten Aufenthalt in Seoul war auch dieses Mal der letzte Tag vollgepackt, und genauso wie eineinhalb Jahre zuvor ging es darum, die Zeit mit meinen Freunden zu verbringen. Allerdings hatte ich dieses Mal keinen Masterplan, sondern nur eine grobe Richtlinie. Das kommt davon, wenn ich alleine reise. Um 12 Uhr Treffen mit Anneena, ihrer Mutter und Jacob in einem Café in Hongdae; um 18:30 Uhr mit Hulk und Seol Hee in Sillim. Beides Haltestellen, die nicht gerade um die Ecke waren und ebenso wenig in der Nähe von einander.

So aß ich mein rudimentäres Frühstück so spät wie möglich, da es bis zum Treffen mit Anneena reichen musste. Aber ein Café versprach ein leckeres zweites Frühstück, so dass ich mir keine allzu großen Gedanken machte. Dieses Mal ging ich extra entschieden früher aus dem Haus, nahm einen Zug früher, schaffte meinen Anschluss problemlos und war zwanzig Minuten vor dem verabredeten Zeitpunkt vor Ort. Da meine Leute noch nicht anwesend waren, spazierte ich durch die Läden in der Haltestelle Hongdae, bis die Zeit des Treffens gekommen war.

Kaum waren wir zusammen, suchten wir uns ein Café. Es durfte nicht irgendein Café sein, nein, es musste ein Twosome Place sein, weil Anneenas Mum auch dafür eine Rabattkarte hatte. Glücklicherweise fand sich eins in unmittelbarere Nähe zur Haltestelle. Dort holte ich mir einen leckeren Tee und ein schokoladiges Stück Schokokuchen. Es war köstlich und sehr mächtig. Das Tiramisu von Anneena war auch nicht zu verachten, allerdings war es nicht das beste meines Lebens.

Tiramisu und Schokokuchen im Twosome Place Café

Nachdem wir einige Zeit im Café verbracht hatten, Anneena ihr Getränk über sich und ihren Sitz verteilt hatte, wir den Kuchen und die anderen Getränke verzehrt hatten und ich einen riesigen Sack voller Kim, also Algen, (ein Abschiedsgeschenk von Anneenas Mum, weil ich das Zeug so lecker fand) bekommen hatte, zogen wir weiter. Unser nächstes Ziel war Myeongdong. Mit zwanzig Minuten Fahrtzeit lag es schließlich um die Ecke.

Myeongdong hatte noch einige Touristenattraktionen zu bieten, von denen ich bisher nicht wusste. Als erstes führe uns Anneenas Mum zielsicher zum Seoul Global Cultural Center, in dem sie anscheinend schon vorher angerufen hatte, um einen Termin auszumachen. Oder um zu fragen, ob noch Kapazitäten offen wären. Mit Sicherheit kann ich das nicht sagen, denn sie sagt es mir nicht. Jedenfalls ging es hier darum, sich traditionell koreanische Kleidung auszuleihen, anzuziehen und damit Fotos vor traditionellem Hintergrund zu machen. Man durfte aus Kostümen für Männer und Frauen und dann verschiedene Farben wählen. Nachdem man diese angezogen hatte, hatte man zehn Minuten, in denen man Fotos vor vorbereiteten Kulissen machen durfte. Das ganze kostete keinen einzigen Cent.

Nachdem wir uns dort ausgetobt hatten, ging es weiter durch die Straßen Myeongdongs. Die meisten Straßenverkäufer hatten ihre Läden noch nicht aufgebaut, doch das hinderte uns nicht am Schaufensterbummel. Ich zeigte Anneena und Co. die Eisdiele, die Roseneis herstellt, und sie führten mich in einen Make-Up-Laden, um mir Lipgloss zu verpassen. Es war viel zu klebrig, zu viel und zu unangenehm, weshalb ich es schnell wieder entfernte.

Wir kamen an einem Kosmetikladen vorbei, dessen Fassade mit Pflanzen besetzt war. Man hatte wirklich einen Nährboden an der Wand befestigt, aus dem nun zarte, echte Pflänzchen wuchsen.

Wand aus echten Pflanzen

Zu diesem Zeitpunkt erkannten meine Begleiter, dass Hunger sich langsam bei ihnen breitmachte. Also beschlossen sie kurzerhand einen Snack zu holen. Dieser bestand aus Mini-Kimbap, Ddeokbogi und Fishcake am Spieß. Ddeokbogi war mir zu scharf, aber Kimbap ist immer eine gute Idee und am Spieß schmeckt alles besser. Es war ein sehr guter Snack.

Fishcake am Spieß

Mini-Kimbap am Spieß

Ddeokbogi zum Mitnehmen

Wir schlenderten weiter durch Myeongdong und entdeckten einen Line-Friends-Shop. Er war aufgebaut wie der Kakao-Friends-Shop, stellte allerdings die Line-Freunde vor. Um das hier klar zu stellen: Während KakaoTalk sich in Korea riesiger Beliebtheit erfreut, ist Line der Messenger, der in Japan weit verbreitet ist. Wir wagten einen Blick hinein. Es gab eine Schlange, um ein Foto mit einem riesigen Bären machen zu können. Anscheinend war das der Hauptstar der Line-Freunde. (Da Franziska und ich diese Ehre schon in Japan gehabt hatten, war ich nicht sonderlich erpicht darauf.) Wir entschieden uns dafür, diese Schlange zu ignorieren und direkt ins Geschäft zu gehen. Dort gab es alles Mögliche mit den Charakteren: Tassen, Teller, Kleidung, Notizblöcke, Anhänger, etc. Allerdings waren all diese Sachen entschieden teurer als bei Kakao-Friends und nichts davon überzeugte mich endgültig. Es könnte damit zusammenhängen, dass ich Line nicht benutze und die Charaktere sowie deren Emots nicht kenne.

Im Line-Friends-Shop

Wie dem auch sei. Hiermit endete unsere Tour durch Myeongdong, woraufhin wir weiterzogen, um Sillim unsicher zu machen. Da die kleine Familie in der Nähe wohnte, war es für sie sehr praktisch mich dorthin zu begleiten. Obwohl Anneenas Mutter schon entschieden länger in Seoul lebt, hat sie bis heute Probleme mit dem Schienennetz, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Sie wäre mehrfach beinahe in die falsche Bahn gestiegen oder an falschen Haltestellen umgestiegen, hätte man sie nicht darauf aufmerksam gemacht. Erstaunlich.

In Sillim angekommen übernahm Anneenas Mum wieder zielsicher die Zügel und führte uns zu einer Fahrradausleihstation. Zuerst verstand ich nicht so ganz, was vor sich ging, denn ich wurde die meiste Zeit über durch die Gegend geführt, ohne eine klare Ansage bezüglich unseres Ziels zu erlangen. Ich bin mir nicht sicher, ob es zum guten Ton gehört oder ob meine Begleitung sich nicht auf Englisch ausdrücken konnte. So langsam dämmerte mir dann doch, dass wir, also Anneena, Jacob und ich, uns Fahrräder nehmen sollten, während Anneenas Mutter uns in eine Liste eintrug.

Fahrradstation in Sillim

Ich suchte mir ein passendes Vehikel, und schon brachen wir auf. Einige Schritte von der Station entfernt war ein kleiner Flusslauf, der wiedermal kunstvoll angelegt worden war.

Promenade in Sillim

Neben Fontänen, Pavillons und schönen Sitzbänken gab es dieses Mal auch einige Bilder an den Wänden, in die man einspringen konnte. Es war wie das Trick Eye Museum.

Interaktives Bild in Sillim

Dies war unser Ziel – sozusagen. Denn der einzige Grund für die Fahrradausleihe war eine Spazierfahrt am spielerischen Ufer dieses Baches. So fuhren wir hin und her, hielten an Outdoor-Trainingseinheiten und interaktiven Hintergründen für Fotos, fuhren über Brücken und in die andere Richtung, hin und her. Mir fiel auf, dass diese Fahrräder niemals für den deutschen Straßenverkehr zugelassen worden wären, weil sie keine Lichter hatten. Auch fehlten Schutzbleche, was mir persönlich die Lust genommen hätte, bei regnerischen Verhältnissen dieses Verkehrsmittel zu wählen.

Ein Ausflug durch Sillim

Nach einiger Zeit machte sich der Winter bemerkbar, so dass ich mich gezwungen sah, Handschuhe anzuziehen. Es dauerte nicht wesentlich länger, bis wir uns dazu entschlossen, dass es genug für einen Tag war. Wir brachten die Räder zurück und verabschiedeten uns freundlich. Als ich Anneenas Mutter auf den Preis ansprach, meinte sie, dass es – wieder einmal – ein kostenloser Service der Stadt Seoul gewesen sei. Ich fragte mich langsam, woher die Stadt so viel Geld hatte und malte mir aus, in wie vielen anderen Ländern, die ich besucht hatte, dieses Prinzip nicht funktionieren würde. Wenn ich richtig gesehen habe, war noch nicht einmal die Vorlage eines Ausweisdokuments notwendig gewesen. Man trug nur den eigenen Namen und einige Angaben zur Person in eine Liste ein, ergänzte die Nummern der Fahrräder und fuhr los. Dieses Land schaffte mich auf so viele einfache Weisen.

So langsam gewann ich den Eindruck, dass ich an einer privaten Stadtführung teilnahm, ohne diese gebucht zu haben.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir auch, dass es schon kurz vor meinem Rendezvous mit Hulk und Seol Hee war. Die kleine Familie begleitete mich noch zielsicher zur Haltestelle Sillim und zum richtigen Ausgang, damit ich bloß nicht verlorenging. Leider war der Ausgang, den ich in Erinnerung hatte, gerade wegen Umbaumaßnahmen gesperrt, so dass ich vor einer Holzwand zum Stehen kam. Dies führte zu allgemeinen Zweifeln und paniknahmen Zuständen, da man mich doch nicht alleine in der Wildnis von Seoul stehen lassen konnte, während ich nicht wusste, ob ich am richtigen Ausgang war. Nun sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass es tatsächlich einige Haltestellen in Seoul gibt, bei denen es entscheidungsrelevant war, an welchem Ausgang man sich verabredet hatte, weil man sonst womöglich mehrere Bruchteile einer Stunde damit aufbringen musste, einander zu finden. Sillim zählte aber bei weitem nicht dazu. Obwohl es tatsächlich acht Ausgänge gab, lange diese an nur einer Kreuzung, so dass man problemlos den Ausgang acht von Ausgang eins aus sehen konnte, wenn man sich nur einige Meter bewegte. Da ich mich mit Hulk allerdings telefonisch verabredet hatte, konnte ich nicht mal eben nachschlagen.

Also warteten Anneena und Co mit mir am Ausgang. Anneenas Mutter ging sogar so weit, dass sie mir ihr Telefon lieh, damit ich Hulk anrufen konnte. Leider ging er nicht dran. Irgendwann kam doch ihr Bus und schweren Herzens verließen sie mich – immer noch in Sorge, dass ich an dieser Haltestelle verlorengehen würde. Da mir noch ein bisschen Zeit blieb, entschloss ich mich zu einer kleinen Tour um den Block, sah mir jeden Ausgang genau an, und beschloss, dass es Ausgang vier gewesen sein musste. Auf meinem Rückweg von der Tour wurde ich in meiner Vermutung bestätigt, nämlich als ich meinen Namen von irgendwoher hörte. Es war Hulk, der mich rief. Wir begrüßten uns kurz, ich stellte fest, dass er bei den eisigen Temperaturen ein ebenso eisiges Getränk in Händen hielt, und fand eine Erklärung dafür, warum so viele Koreaner in meinem Bekanntenkreis sich derart über die Kälte beschwerten. Wir brachen auf Richtung phantastischem Restaurant, welches ihm von irgendjemandem empfohlen worden war, hielten aber auf halbem Weg inne, weil sein Telefon klingelte und Seol Hee verkündete, dass sie soeben aufgehört hatte zu arbeiten. Feierabend. Hervorragendes Timing, denn so konnten wir zusammen gehen. Wir drehten wieder um, gingen zurück zur Kreuzung und sahen Hulks Frau, wie sie gerade die Straße überquerte.

Und so brachen wir vollzählig zu dem Restaurant auf. Unterwegs ließ Seol Hee mir über Hulk ausrichten, dass sie nur deshalb so wenig mit mir sprach, weil ihr Englisch so schlecht war und sie sich schämte. Ich fand diese Aussage süß, denn ihre Englischkenntnisse übertrafen jene vieler anderer Leute in der Tourismusbranche Seouls. Es dauerte nur kurze Zeit, bis Seol Hee auftaute und wieder wie gewohnt mit mir plapperte. Sie konnte sich nicht wie Shakespeare ausdrücken, aber wir verstanden uns trotzdem hervorragend.

An diesem Tag hatte ich noch nichts Vernünftiges gegessen, wenn man von diesem wirklich mächtigen Schokoladenkuchenstück absah, so dass ich ausgehungert wie ein Wolf in ein Lokal geführt wurde, in dem man sein Essen am eigenen Tisch grillen durfte. Es stellte sich schnell heraus, dass der Tisch für unsere Bestellung zu klein war, was hauptsächlich daran lag, dass ein Großteil des Platzes vom eingebauten Grill eingenommen wurde. Hulk bestellte Samgyeopsal als Vorspeise, gefolgt von vier Sorten Fleisch als Hauptgang.

Ein bescheidenes Abendessen

Zweiter Gang eines bescheidenen Abendessens

Selbstverständlich gab es nach koreanische Manier genügend Beilagen, Salate, Pilze und Kimchi. Ebenso selbstverständlich schnitt Hulk das Fleisch mit der Schere klein.

Fachgerechte Zubereitung

Aber das war nicht genug. Es musste Tofusuppe dazukommen. Alkohol durfte auch nicht fehlen (es machte ihnen nichts aus, dass ich dankend verzichtete, aber ich hatte schon den Eindruck, dass sie in diesem Moment Franziska vermissten). Als die beiden sich von mir wegdrehten, um ihren Shot Soju zu trinken, fragte ich, weshalb sie das machten. Hulks Antwort war einfach: „It’s Korean culutre.“ (Es gehört zur koreanischen Kultur) Dann fiel den beiden noch ein, dass kalte Nudelsuppe perfekt zu dem Fleisch passte. Ich machte mir so langsam Sorgen, ob sie mich mästen wollten. Das Erstaunen in meinem Gesicht ob der Menge an Essen wurde mit einem Lachen abgetan. Da die beiden ebenso herzhaft zugriffen wie ich, vertrieb ich die Theorie des Mästens wieder und konzentrierte mich auf das Essen. Als die Nudelsuppe ankam, erklärte Hulk mir natürlich, wie man sie stilgerecht aß: Man musste ein glühend heißes Stückchen Fleisch vom Grill nehmen, es in die Suppe tunken, Nudeln drum herum wickeln und dann zusammen essen.

Kalte Nudelsuppe zum Fleisch

Die beiden hatten recht. Es passte perfekt zusammen. Es war so lecker, dass ich fast eingegangen wäre. Ich wollte einfach nicht mehr aufhören zu essen.

Irgendwann waren die Teller, Tassen und Schüsseln dann doch leer – oder annähernd leer –, so dass wir die Zeit zum Aufbruch gekommen sahen. Das hieß aber noch lange nicht, dass der Abend vorbei war, nein, so durfte man mich nicht gehen lassen. Und ich wollte auch noch gar nicht weg, denn ich hatte die beiden so lange nicht mehr gesehen und wollte so viel Zeit wie irgend möglich mit ihnen verbringen. Also zogen wir weiter in eine Spielhalle mit verschiedenen Automaten. Seol Hees bevorzugtes Spiel war „Unterschiede finden“. Wie in unseren Zeitungen gab es zwei Bilder, die sich sehr ähnlich sahen, aber jeweils fünf Unterschiede hatten. Allerdings war es im Vergleich zur deutschen Zeitschriftversion entschieden schwieriger. Die Bilder waren bunt, meistens Fotos, gefüllt mit allen möglichen Details, von denen nur fünf Kleinigkeiten abwichen. Mal fehlte ein Schatten hier oder der Kühlergrill vom Auto dort. Ich kam mir mitunter blind vor. Was die beiden in Windeseile fanden, hätte ich nach Stunden aufmerksamen Betrachtens nicht entdeckt.

Immerhin war ich ziemlich gut mit den Zwischenleveln, in denen man weitere Leben sammeln konnte. Somit fühlte ich mich nicht ganz so nutzlos. Irgendwann tauschten dann komische Raupen auf dem Bildschirm auf, um die Sicht zu blockieren. Dann fassen sie sich durch das Bild und guckten einen provozierend an. Es lenkte mich ungemein ab. Am Ende war ich gestresst – amüsiert, aber gestresst.

Es folgten einige Versuche am Greifautomaten, doch sie waren (oh Wunder, oh Staunen) nicht von Erfolg gekrönt. Trotzdem war Hulk recht nah dran, das ein oder andere Tierchen abzuräumen.

Danach ging es zu einer Maschine, die ich noch nicht kannte. Sie sah aus wie ein Schaukasten für Luxusgüter. Auf Etagen aus Plexiglas standen kleine, glitzernde Souvenirs in sorgfältig arrangierten Reihen. Allerdings war es ein Spielautomat. Man hatte einen Joystick und einen Knopf zur Bedienung. Mit dem Stick bewegte man die „Hand“ zuerst horizontal nach rechts. Dann hielt man den Knopf gedrückt, um die „Hand“ vertikal nach oben zu bewegen. Wenn man sicher war, dass man die richtige Position gefunden hatte, ließ man den Knopf los, eine Stange fuhr aus der „Hand“ aus und schob den gewünschten Gegenstand nach hinten, bis er über die Kante in die Ausgabe kippte. Man hatte nur ein Versuch. Wenn man den Stick oder den Knopf losließ, konnte man nichts mehr korrigieren. Dann fuhr Stange heraus, egal wo die „Hand“ gerade stand.

Seol Hee warf einige Won ein, konzentrierte sich und bewegte einen Glücksbringer, den sie erringen wollte, in die Nähe des Abgrunds. Leider nicht weit genug. Ein zweiter Versuch musste her. Kein Problem, dafür hatte sie ja das Kleingeld eingeworfen. Beim nächsten Versuch drehte sich das quaderförmige Päckchen ein wenig, wodurch sie einen dritten Anlauf brauchte. Dann gelang es ihr. Sie jubelte, freute sich, Hulk stieg mit ein, auch mir war der Angstschweiß ausgebrochen. Leider gab es eine begrenzte Zeitspanne, in der man die „Hand“ bewegen durfte. Lief die Zeit ab, bevor man fertig war, hatte man einen Zug verschenkt. Durch den Freudentaumel war Seol Hees Zeit des vierten Zuges verschenkt. Es knickte sie zwar ein bisschen, ließ sie in ihrer Entschlossenheit aber keineswegs wanken. Sie wollte noch ein zweites Souvenir, also ging es an den nächsten Zug und einen weiteren. Auf diese Weise bekam ich zwei gold-glänzende Geldscheinimitate, die als Glücksbringer an Franziska und mich gerichtet waren. Es war so süß.

Damit schlossen wir unseren Besuch in der Spielhalle ab und zogen weiter Richtung Bowlingbahn. Hulk hatte mir erzählt, dass es in der Nähe eine Bowlingbahn gab, die Rock spielte und alles in bunte Lichter tauchte. Natürlich wollte ich mir das nicht entgehen lassen – noch weniger wollte ich schon ins Hostel zurückkehren, weil das bedeuten würde, dass ich gleich nach Deutschland zurückflog. Auf zum Bowling!

Die Bowlingbahn war phänomenal. Es gab eine große Auswahl an Getränken. Wenn keine Bahn frei war, konnte man sich in einem Bereich dafür gemütlich einrichten und warten. Für den Zeitvertreib gab es Gesellschaftsspiele. Bunte Lichter flackerten über die acht Bahnen, die sonst in Dämmerung gehüllt waren. Laute Musik dröhnte aus Lautsprechern. Ohne Hulk zu nahe treten zu wollen, er kannte sich mit Musik nicht aus. Was auch immer dort gespielt wurde, es war kein Rock. Wie dem auch sei.

Bunte Bowlingbahn in Seoul

Wir mussten nicht lange warten, bis Schuhe und Bahn fertig waren. Natürlich musst die Reihenfolge der Spieler in einem stilechten Schnick-Schnack-Schnuck-Spiel entschieden werden. Somit stand fest, dass Hulk anfing und ich das Schlusslicht bildete. Und so ging es los. Während Hulk sich auf das Spiel vorbereitete, erzählte Seol Hee mir, dass er ein semiprofessioneller Bowler war. Das hörte ich zum ersten Mal und staunte nicht schlecht. Doch schnell wurde mir bewusst, was sie damit meinte. Hulk bewegte sich wirklich recht sicher auf dem Terrain, seine Form war bowling-mäßig, sein Fuß schwang weit nach hinten, als die Kugel rollte, und er blieb sicher stehen. Er hatte sogar ein kleines Ritual vor dem Wurf:

Zuerst stellte er sich in die Mitte der Bahn und hielt dabei die Kugel vor die Nase. Meistens korrigierte er sich noch einen viertel Schritt nach links oder rechts. Dann tippelte er mit den Füßen auf der Stelle, rollte die Schultern und holte aus.

Seol Hee, wie es sich einer guten, emanzipierten Ehefrau gebührt, machte sich gehörig lustig darüber.

Wenn er nicht richtig traf, ärgerte Hulk sich leider auch. Trotzdem räumte er weit besser ab als wir anderen beiden.

Als ich dann an der Reihe war, ließ ich meiner ballerinahaften Eleganz freien Lauf: Beim ersten Wurf fiel ich beinahe vorne über. Dummerweise nahm Seol Hee das sogar auf Video auf und zeigte es mir laut lachend, nachdem ich fertig war. Wir amüsierten uns prächtig. Zwischendurch erfuhr ich, dass man ein kostenloses alkoholisches Getränk erhalten konnte, wenn ein roter Pin an der Spitze stand und man einen Strike schaffte. Leider gelang es uns nicht einmal. Obwohl ich nicht nur in der Spielreihenfolge, sondern auch in der Punktzahl das Schlusslicht bildete, hatte ich eine fantastische Zeit. Wir entschieden uns kurzerhand für eine zweite Partie.

Endstand erste Runde

Auch diese endete irgendwann einmal mit ähnlichen Ergebnissen. Als wir fertig waren und die Schuhe wieder abgaben, wurde mir auch hier ein striktes Zahlverbot auferlegt, obwohl ich mich schon in den Vordergrund drängelte. Plötzlich präsentierte Seol Hee ihre Karte und sagte, sie hätte schon gezahlt. Es wäre so viel einfacher, wenn man Koreanisch könnte.

So langsam dämmerte mir, dass der Abend doch noch zu Ende gehen würde. Aber dann fragten die beiden mich, ob ich nicht noch etwas essen wolle. Die letzte Mahlzeit lag erst weniger Stunden zurück, allerdings fiel mir ein, dass wir noch keinen Nachtisch gehabt hatten. Darauf machte ich aufmerksam und fragte, ob es nicht irgendwo in der Nähe diese mit roter Bohnenpaste gefüllten Waffeln in Fischform gab. Sie wussten sofort eine Antwort. An der Haltestelle Sillim würden wir bestimmt fündig werden.

Meine Begleiter hatten Recht. Wie an so vielen Orten in Seoul standen um diese Uhrzeit an der Haltestelle Sillim viele kleine Buden mit Snacks herum. Darunter auch fischförmige Teigspezialitäten mit roter Bohnenpaste.

Fischförmige Waffel mit roter Bohnenpaste

Es gab auch süße, wallnussförmige Teigspezialitäten mit Nusspaste.

Wallnussförmiges Gebäck

Wir aßen in Ruhe zu Ende. Und dann war es so weit. Ich musste mich verabschieden. Es war schon spät, die Fahrt ins Hostel würde noch eine Stunde dauern, und ich musste packen. Ich wollte aber nicht gehen.

Seol Hee und Hulk begleiteten mich bis zum Eingang der Metro-Station. Der Abschied dauerte ewig, aber dann doch nicht lange genug. Wir machten noch Abschiedsfotos. Dann ging ich durch das Tor. Ich drehte mich noch zehnmal um, winkte und verabschiedete mich. Der Aufenthalt in Seoul war nun für mich zu Ende. Hulk rang mir noch einige standardisierte Floskeln ab, die mich an den vorhergehenden Besuch erinnerten. (Hulk: „How are you?“, ich „I am fine, thank you.“ Hulk „I like that, keep going“)

Zurück im Hostel nahm ich eine schnelle Dusche, packte meine Siebensachen, zog mich um und ging ins Bett.

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Sonntag, 14. Mai 2017
Sylvester in Seoul - Tag 7
Es war an der Zeit meinen koreanischen Ausflug ein bisschen internationaler zu gestalten, weshalb ich mich zu einer Reise nach Itaewon, also dem amerikanisch inspirierten Teil Seouls, hinreißen ließ. Bei unserem letzten Aufenthalt hatten wir diese Gegend bewusst gemieden, doch nun war ich neugierig.

Als ich aus der Metrohaltestelle emportauchte und die ersten Eindrücke dieses Stadtteils in mir aufnahm, wollte sich keine echte Begeisterung einstellen. Irgendetwas schien fade und schal. Es sah eindeutig nicht nach Seoul aus, auch wenn ich Schwierigkeiten hatte, dieses Gefühl an etwas Konkretem festzumachen oder zu definieren. Davon ließ ich mich keinesfalls abhalten. Eine Tour stand auf dem Programm und ich gedachte, sie durchzuziehen. Also spazierte ich erst einmal gemütlich die Hauptstraße entlang und betrachtete die zahlreichen Geschäfte. Was mir sofort auffiel, war, dass Itaewon dreckiger als der Rest Seouls war. Es waren nicht nur die vereinzelt rumliegenden Abfälle, die ein unachtsamer Bürger gerne mal in die Ecke warf, sondern ganze Müllberge, die auf der Straße auf die Müllabfuhr warteten. Vielleicht streikte diese gerade – ich werde es nie erfahren. Vielleicht verstärkte das triste Wetter meinen ersten Eindruck – wer weiß?

Bezeichnend war jedenfalls, dass an einem Ende von Itaewon ein großer Torbogen schrieb: „Welcome to Korea“ („Willkommen in Korea“), und zwar wenn man Itaewon verließ, was für mich eindeutig unterstrich, dass selbst die Seouliten diesen Stadtteil nicht als voll zugehörig zu Seoul empfanden.

Tor am Ende von Itaewon

Während ich die Straßen entlangspazierte, fielen mir Plaketten auf, die in den Boden eingelassen waren, und Besucher in zahlreichen Sprachen begrüßten. Darauf fanden sich zudem die Umrisse der Nationalflaggen, der Landesgrenzen sowie Name des Landes und der Hauptstadt.

Guten Tag auf Französisch in Itaewon, Seoul

Es gab allerdings nicht alle Länder, ebenso wenig alle Sprachen (was wirklich zu aufwändig geworden wäre) und darüber hinaus war die Lautschrift falsch. Trotzdem war es eine ziemlich coole Idee.

Ich suchte die sogenannte Eatery Street auf, also eine Nebenstraße, in der verschiedene Restaurants und Lokale Tür an Tür miteinander koexistierten. Da gab es einen Mexikaner neben einem Tschechen oder einen Ägypter neben einem Italiener, der wiederum neben einem Chinesen ansässig war. Es war ein lustiges, internationales Durcheinander.

Beispiel für kulinarisches Durcheinander in Itaewon

Selbstverständlich waren auch die Preise ob der exotischen Natur ihrer Produkte ziemlich hoch – und ich vergleiche hier nicht einmal zum koreanischen Durchschnitt, sondern allgemein. Ein Gericht für 25.000 Won (ca. 21 Euro) war keine Seltenheit.

Natürlich gab es daneben auch kleine Snackbuden für den Hunger zwischendurch, wie französische Bäckereien und türkische Eisdielen. Es gab auch Döner
Döner in Seoul (und türkisches Eis)
und ich war kurz versucht, diesen zu probieren, entschied mich aber dagegen, weil ich keinen Hunger hatte.

Auf meinen Streifzügen durch das Viertel entfernte ich mich von der Hauptstraße mit ihren internationalen Hauptattraktionen, um ein wenig im alltäglichen Leben der Ansässigen zu stöbern. Die kleinen Gassen waren bürgersteiglos, eng, bergig (langsam glaubte ich, dass die Hauptstraßen Seouls absichtlich im Tal lagen, um die Stadt für Touristen zu Fuß attraktiver zu gestalten, während der koreanische Otto Normalverbraucher sich allein durch den Heimweg zu Fuß fit hielt.) und alle gefühlten hundert Meter stand ein kleiner Supermarkt. Dank dieser Vorgehensweise fand ich das muslimische Zentrum oder die zentrale Moschee Seouls – ich bin mir nicht so ganz sicher – jedenfalls war ich damit wieder im ausländischen Trott. Die Fassade passte hervorragend zu dem internationalen Flair dieses Viertels. Alles in allem war blau die vorherrschende Farbe. Hellblau, dunkelblau, himmelblau, türkisblau. Eine glänzende Fliesenoberfläche in verschiedenen Blautönen zeigte symmetrische Muster. Das Tor bestand aus mehreren Rahmen, die mal eckig, mal spitz zulaufende Rundbögen waren, und erweckte den Anschein, als wollte ein Torbogen über den anderen hinauswachsen. Es wirkte schlicht und pompös zugleich. Für alle Alphabetisierten stand auch noch etwas über dem Eingang – ich zählte nicht zu den Leuten, die es entschlüsseln konnten.

Muslimisches Zentrum in Itaewon

Als ich mich dann nach einem gemütlichen Café in meiner Preisklasse für ein leckeres zweites Frühstück umsah, wurde es auf einmal schwierig. Lokale und Restaurants verschiedener Herkunftsländer gab es mit Sicherheit en masse, allerdings erwähnte ich eingangs das Preisniveau. Darüber hinaus versprach meine Broschüre, dass es eine Straße voller Cafés in Itaewon gab. Das war mein Ziel. Nach einigem hin und her und planlosem Umherlaufen fand ich diese ominöse Straße, die sich als süße, kleine Fußgängerzone entpuppte,

Café Straße in Itaewon

und stellte fest, dass die meisten Cafés entweder montags geschlossen (heute war Montag) oder völlig überteuert (8.000 Won ≈ 6,60 Euro für einen Tee) waren. Im besten Fall traf sogar beides zu. Nein, auf diese Tour würden Itaewon und ich nie eine gute Beziehung zueinander aufbauen. Vielleicht habe ich aber auch das perfekte Café übersehen. Ich suchte weiter. Tatsächlich fand ich letzten Endes ein Paris Baguette Café, das mit seinen fünf Sitzgelegenheiten eher einem deutschen Stehcafé als einem koreanischen Zentrum für soziale Interaktion gerecht wurde. Dennoch, es gab leckere Snacks, es gab Tee und es gab Sitzgelegenheiten, die mich nicht der Witterung aussetzten. Damit waren alle Kriterien erfüllt. Oh, natürlich waren die Preise auch in einem angemessenen Rahmen. Es gab ein herzhaft belegtes, jedoch süßes und weiches Baguette sowie einen Streuselmuffin und Tee.

Snack im Paris Baguette Café in Itaewon

Gestärkt machte ich mich auf den Weg zu anderen Ecken dieser riesigen Stadt und war froh Itaewon hinter mir zu lassen. Ich suchte die nächstbeste Metro-Station, Noksapyeong (Yongsan-gu Office), auf – und war baff! Mittlerweile war ich so einiges gewohnt, was die Kreativität in den Haltestellen dieser Millionenmetropole betraf, aber so eine Konstruktion hatte ich bis dato noch nicht gesehen.

Gekrönt wurde diese unterirdische Einstiegsmöglichkeit zum ÖPNV von einer gläsernen Kuppel. Diesen Glasbau hatte ich schon im Vorbeigehen bemerkt, mir aber keine Gedanken über seinen Zweck gemacht. Drinnen hatte man die Wahl, ob man Treppen oder Rolltreppen benutzte (selbstverständlich gab es auch Fahrstühle), um die zwei oder mehr Etagen in die Tiefe zu gelangen. Auch die Anordnung der Treppen war ein bisschen aufgelockert, wodurch ein wenig Abwechslung in eine alltägliche Strecke gebracht werden konnte. Das Loch, in das man absteigen musste, hatte eine runde Form, schließlich war es direkt unter einer Kuppel. Das ließ den Innengestaltern ein wenig Spielraum bei der Gestaltung, denn manchmal waren die Treppen am inneren Rand des Kreises, manchmal durchschnitten sie ihn, während sie nach unten führten.

Noksapyeong (Yongsan-gu Office)- Metrohaltestelle

Darüber hinaus gab es Kunstwerke in Form von beleuchtetem Buntglas an den Wänden und Treppen sowie verschiedene Schriftzüge auf den Stufen. Alles in allem war es sehr hell und freundlich.

Kunst in Metrohaltestellen

Es war erstaunlich, was man aus einer Haltestelle machen konnte. Ebenso verwunderlich war, wie wenige Geschäfte es hier gab. Als ich an meinem Ziel, der Yeouinaru-Haltestelle, ankam, begrüßte mich erneut ein Kunstwerk statt einer Treppe.

Kunst in Metrohaltestellen

Nachdem ich genug von Itaewon gesehen hatte, zog es mich weiter durch die Straßen Seouls. Um das Gebäude der Nationalversammlung herum gab es noch einige Sehenswürdigkeiten, die ich mir für diesen Tag herausgesucht hatte. Ich fing an im Yeouido Hangang Park, der natürlich kunstvoll hergerichtet war.

Heckenfiguren im Yeouido Hangang Park

Diesjähriges Motto

Stillgelegter Bach im Park

Es gab schöne Figuren, die ins Buschwerk geschnitten worden waren, man konnte die Skyline des gegenüberliegenden Ufers bestaunen, Skulpturen standen in der Gegend, Grünflächen wechselten sich mit Gehwegen ab, es gab einen schön angelegten, künstlichen Bach (der gerade nicht floss, weil es zu kalt war) und ein Zirkuszelt stand tatenlos herum.

Als ich weiter am Ufer entlangspazierte, fand ich die kleine Meerjungfrau, die offensichtlich aus Kopenhagen entführt worden war! Nein, das stimmte nicht: Es handelte sich um ein Geschenk der dänischen Hauptstadt an das südkoreanische Pendant.

Kleine Meerjungfrau in Seoul

Außerdem gab es eine Bühne, die auf dem Wasser schwamm. Sie war kuppelförmig, eine Hälfte durchsichtig, die andere schimmerte in bunten Schuppen wie ein exotischer Fisch.

Schwimmende Bühne

Als ich den Park nach einiger Zeit verließ, fand ich ein Boot der etwas anderen Art vor. Es stand auf einer Kreuzung, war weiß und aus Stein.

Bootskulptur neben dem Yeouido Hangang Park

Normalerweise konnte man dieses Kunstwerk begehen, doch aufgrund der Witterung war es zurzeit für Besucher gesperrt.

Dann überquerte ich die Straße, um in den Yeouido-Park zu gelangen, und blickte der imposantesten Ansicht ever entgegen. Eine zwölfspurige Straße trennte hier deutlich den Park von angrenzenden Gebäuden, während diese sich in einer Reihe aus Glas und Stahl in den Himmel reckten. Dieser Kontrast zwischen einer riesig hohen Häuserfront und dem Park verlieh dem Anblick etwas Klippenartiges. Leider war ein Foto nicht möglich, da man dafür mitten auf der Kreuzung hätte stehen müssen. Außerdem wäre meine Kamera nicht in der Lage gewesen, dieses Bild einzufangen. Ich überquerte die Straße mehrere Male, nur um dieses Bild immer wieder aus einem sich wechselnden Blickwinkel zu betrachten.

Den Spaziergang durch den Park genoss ich danach umso mehr. Im Yeouido Park gab es Trampelpfade für Fußgänger, daneben auch Fußgängerwege, eine Straße für Autos und eine designierte Fahrradspur. Darüber hinaus fand man immer wieder behindertengerechte Begehungsmöglichkeiten. Ich stapfte einfach querfeldein über holprige Steine, die einen vagen Weg erkennen ließen, und kam prompt an einem auf Säulen stehenden Pavillon an.

Pavillon im Yeouido-Park





Er war sehr koreanisch, hatte einen Steinboden und durfte selbstverständlich begangen werden. Um ihn herum fanden sich Picknickplätze, Sitzgelegenheiten sowie eine schöne Aussicht auf das Grün drum herum. Wie so oft in diesen kalten Tagen fand ich auch hier ein trockenes Flussbett vor, das im Sommer mit Sicherheit plätscherndes Nass enthielt. Zierliche Laternen säumten die Pfade im Yeouido-Park, wodurch man auch abends und bei Nacht sicher seinen Weg finden konnte.





Ich bahnte mir meinen ziellosen Weg zum Teich, der im Herzen des Parks ruhte, und stellte fest, dass er stellenweise noch zugefroren war. Anscheinend war es die Nächte zuvor recht kühl gewesen. Auch hier gab es Sitzgelegenheiten in und außerhalb von Pavillons. Nicht weit vom Teich entfernt gab es einen unebenen Weg, dessen Beschaffenheit ständigen Wechseln unterworfen war. Er war um einen Hügel mit Büschen herum angelegt. Tatsächlich handelte es sich um einen Akupressur-Pfad, den man vermutlich barfuß hätte ablaufen sollen.

Akupressurpfad im Park

Aufgrund der Temperaturen entschied ich mich allerdings dafür meine Schuhe anzulassen, während ich darüber trampelte. Dennoch spürte ich deutlich die Unterschiede.

Neben einem Spielplatz fand ich zudem sehr viele Grünflächen, die sich hervorragend für Picknicks und Ballspiele eigneten. Zu dieser Tages- und Jahreszeit waren aber nur wenige Leute unterwegs. Außerdem gab es neben Toiletten auch Mikrowellen, in denen man sein Essen erwärmen konnte.

Öffentliche Mikrowellen für Besucher

Am Südende des Parks bog ich rechts ab und nahm Kurs auf die Nationalversammlung Seouls. Eine Allee mit kleinen Bäumen und hohen Laternen führte zielstrebig drauf zu. Für die fleißigen Arbeiter der Gegend hatte man einige kunstvolle Sitzgelegenheiten am Straßenrand bauen lassen.

Auf dem Weg zur Nationalversammlung Seoul

Dann stand ich vor den Toren dieses kolossalen Bauwerks, das von einer enormen, grünen Kuppel gekrönt wurde.

Das Gebäude der Nationalversammlung von außen

Ich wollte mir das Gelände ansehen, einen Rundgang auf eigene Faust unternehmen, doch war das leider nicht möglich. Kaum war ich durch das Tor gegangen, hielt mich ein Soldat auf und fragte mich freundlich, ob er mir helfen könne. Die jungen Männer standen zu dritt um mich herum, weil nur einer von ihnen sich traute Englisch zu sprechen, während die anderen ein bisschen hilflos dreinblickten. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte nach Informationen zu dem Gebäude, weil dort ein großes Schild mit dem Wort „Information“ hing. Also händigte man mir eine Broschüre aus und bat mich wieder zu gehen.

Um sich die Versammlungshalle und das Gelände anzusehen, musste man eine Tour mindestens drei Tage im Voraus buchen, und selbst dann war nicht gewährleistet, dass man sich das Gebäude tatsächlich ansehen durfte, weil solche Veranstaltungen kurzfristig abgesagt werden könnten, wenn spontan wichtige Tagungen anstanden. Für das nächste Mal weiß ich Bescheid. Wie dem auch sei, der Anblick von weitem war schon beeindruckend.

Es war Zeit also meines Weges zu ziehen und andere Sehenswürdigkeiten aufzusuchen.

Mein nächstes Ziel war das Express Bus Terminal, ganz einfach nur, weil es in meinem Reiseführer stand. Ich nahm an, dass es einen guten Grund dafür gab, dass es explizit aufgeführt wurde. Also nahm ich die Metro, stieg an der Haltestelle Express Bus Terminal aus und entdeckte die nächste bemerkenswerte Haltestelle: Hier hatte man die Stufen neben der Rolltreppe mit Hintergrundbeleuchtung und Musik verssehen. Jedes Mal, wenn eine Person drauftrat, leuchtete die Stufe auf und ein Ton wurde gespielt. Im oberen Teil der Treppe erkannte man sogar eine Melodie, da die Töne ineinander übergingen. Ich war begeistert. Natürlich verzichtete ich auf die Rolltreppe und ging die wenigen Stufen zu Fuß hoch.

Musikalische Treppe am Express Bus Terminal

Dann stand ich vor dem Bus Terminal. Es hatte eine eigenwillige Bauweise, die ich wirklich als sehenswert empfand. Schräge Pfeiler stützen einen sechsstöckigen Bau, so dass er wie ein riesiger Tausendfüßler aussah.

Express Bus Terminal von außen

Das Gebäude war einer älteren Machart, zweifelsohne, doch innen war es schön erneuert und erhellt worden. Selbstverständlich fanden sich zahllose Restaurants und Geschäfte darin. An einem Ende gab es den Ticketschalter für Bustickets, und wenn man einmal quer hindurchging, kam man an einem großen Parkplatz für Mehrpersonenvehikel an. Damit hatte man aber auch schon alles Sehenswerte gesehen, wenn man nicht gerade diese Möglichkeit zum Shoppen nutzen wollte.

Ich wollte nicht. Stattdessen brach ich zum Französischen Dorf aus, das hier irgendwo in der Nähe sein musste. Nicht weit vom Express Bus Terminal (na gut, ich brauchte zwanzig Minuten zu Fuß dorthin) nahm meine internationale, wenn nicht gar interkontinentale Besichtigung an diesem Tag ihre Fortsetzung. Ich wollte mir Seorae Village ansehen, also einen kleinen Teil in Seoul, der den Großteil der frankophonen Bevölkerung beherbergte. Ich versprach mir französischen Charme: rissige Gebäude, Kreisverkehre, enge, aufgerissene Straßen. Doch ich fand so ziemlich das Gegenteil davon.

Zuerst einmal gelt es den Beginn dieser Siedlung zu finden. Im Gegensatz zu Itaewon gab es nämlich keine große Metro-Haltestelle, die einen direkt ans Ziel brachte (sonst hätte ich nicht laufen müssen). Wenn man als aufmerksamer Tourist die Straße entlangspazierte, fiel einem früher oder später bestimmt die eine oder andere Flagge auf, die zwar farblich gewisse Ähnlichkeit mit der koreanischen aufwies, jedoch ein ganz anderes Muster hatte. Damit man diese beiden aber nicht verwechselte, hing genau gegenüber das koreanische Pendant.

Frazösische und koreanisch Flagge geben sich die Hand

In dem Fall konnte man sich sicher sein, dass man eine Straße des französischen Dorfes, Seorae Village, passierte – oder unwissentlich mitten hineingetappt war. Ich war also da. Frankreich in Korea.

Die Straßen waren gerade und gepflegt, es gab schöne, ordentliche Bürgersteige; selbst abseits der Hauptstraße dieses Dorfes waren Poller aufgestellt, um den niedrigen Gehweg von der Fahrbahn zu trennen. Das war mehr Luxus als im Rest von Seoul. Junge Bäumchen wuchsen in Vor- und Hinterhöfen. Im Vergleich zu den Hochhaussiedlungen drum herum standen hier nur geduckte, aber äußerst moderne und gepflegte Bauwerke; für die Bewohner gab es Reihenhäuschen. Niemand hupte. Überhaupt gab es viel zu viele Ampeln und einen zu gesitteten Verkehr. Mit viel zu viel meine ich zwei, aber das reicht, weil die Franzosen stattdessen bestimmt Kreisverkehre gebaut hätten.

Frankreich in Korea - angeblich

Immerhin gab es zahlreiche Zebrastreifen statt Fußgängerampeln. Doch die Autofahrer nahmen Rücksicht auf die Fußgänger. Das einzig wirklich französische waren die Namen der Cafés (Paris Baguette, O’Fête, Paris Croissant) sowie die Tatsache, dass es hier viel mehr Wein zu geben schien – oder dieser wesentlich plakativer vermarktet wurde. Die Tatsache, dass alle Werbung für Wein aber auf Englisch war, gab dem Ganzen einen absurden Touch.

Wine Terrace

Verwirrt zog ich wieder von dannen. Es ging zurück zum Busterminal, weil ich mich dort an koreanischer Küche sattessen wollte. Einige Gerichte auf meiner Liste hatte ich noch nicht wieder zu mir nehmen dürfen, was ich heute zu ändern gedachte. Immerhin hatte ich nicht mehr viel Zeit. Ich entschied mich für Omurice mit einer Rolle Kimbap dazu.

Omurice mit Kimbap und Beilagen

Es war vorzüglich. Tatsächlich war das Kimbap das beste, das ich seit langem gegessen hatte. Anfangs wusste ich nichts mit der Suppe anzufangen, weil sie einfach mit dem anderen Essen serviert wurde, aber da andere Gäste sie ebenfalls bekamen, machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber. Nach dem leckeren Mahl ging es ans Bezahlen und an dieser Stelle wurde es interessant. Es war nicht das erste Mal, dass ich in einem urigen Lokal in Korea aß, ebenso wenig war es das erste Mal, dass die Angestellten kein Wort Englisch sprachen. Was jedoch zum ersten Mal in dieser Reise vorkam, war die Tatsache, dass sie sich trotzdem mit mir unterhalten wollten. Die nette Dame an der Kasse fragte mich mit einfachen koreanischen Worten (, die ich sogar verstand), ob ich ein Auslandssemester machen würde. Leider fiel mir das Wort für Sightseeing nicht ein, weshalb wir uns nur rudimentär darauf einigten, dass sie Russisch konnte, ich allerdings Englisch und wir so auf keinen gemeinsamen Nenner kommen würden. Dennoch war es sehr angenehm.

Zum Abschluss dieses Tages wollte ich noch den Regenbogenwasserfall im Banpo Hangnang Park sehen, obwohl ich davon ausging, dass das Wasser um diese Jahreszeit stillgelegt sein würde. Ich war davon überzeugt, die Brücke, an der dieser Wasserfall war, schon einige Male von weitem gesehen zu haben, nämlich als ich mit der Metro über andere Brücken in Seoul fuhr. Doch ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, einen näheren Blick zu riskieren. Was ich immer wieder von weitem sah, waren bunte Lichter, die entlang einer Brücke für ein bisschen Abwechslung im städtischen Nachtdunkel sorgten. Mit ein bisschen Wasser konnte ich mir gut vorstellen, dass es wie ein Regenbogenwasserfall aussah.

Also brach ich nach meinem Mahl im Express Bus Terminal Richtung Flussufer auf. Am Fluss lag der Banpo Hangang Park und ich versprach mir davon, dass er mich zur Banpodaegyo Bridge Moonlight Rainbow Fountain bringen würde – also zur Banpodaegyo Mondschein-Regenbogen-Springbrunnen-Brücke. Immerhin war es in meiner Broschüre so eingezeichnet. Als ich auf dem Boden verschiedene Tafeln fand, die den Weg zum Park bestätigten, wurde meine Gangart nur noch zügiger.

Auf dem Weg zur Banpodaegyo Bridge Moonlight Rainbow Fountain

Mittlerweile war es dunkel geworden, doch das war der Plan gewesen, denn anderenfalls hätte man die Lichter wohl kaum bemerkt. Ich stolperte an großen Hauptverkehrsstraßen entlang, durch unterirdische Fußgängerüberwege mit Einkaufspassagen, über Brücken und schmale Gehwege, durch Unterführungen und enge Gänge, bis ich vor dem Fluss stand – und erst einmal stockte. Das hatte ich so nicht geplant.

Da stand ich unter einer Brücke, vor mir eine zweite Brücke, und sah links vor mir farbenfroh erleuchtete Glasbauten. Das war zwar jetzt nicht der Regenbogen, den ich gesucht hatte, aber es war trotzdem schön bunt, hell und hatte mit Wasser zu tun. Spontan entschied ich mich zu einer näheren Betrachtung.

Die Schwebenden Inseln

Wie sich herausstellte, war ich über die Sebitseom Inselchen gestolpert. Das waren drei künstlich aufgeschüttete, schwimmende Inselchen, die am Rand des Hangang Flusses vor sich hinschaukelten. Miteinander und mit dem Festland waren sie über schwimmende und schwankende Brücken verbunden. Der Jahreszeit entsprechend war alles in schöne Lichter gehüllt und hier und dort erkannte man winterliche oder weihnachtliche Motive. Doch damit noch lange nicht genug! Wozu sollte man Inselchen aufschütten und diese nicht nutzen? Nein, das würde nicht passieren. Auf den schwebenden Inseln standen Gebäude, große Glasbauten, die von innen her bunt beleuchtet wurden. Sie änderten ihre Farben im Minutentakt. Blau, rot, grün, gelb, lila, orange, alles der Reihe nach. In diesen Gebäuden gab es verschiedene Entertainmentmöglichkeiten: von Event-Halls über 3D-Erlebnisrestaurants zu ganz gewöhnlichem Shopping. Darüber hinaus hatten die drei Inseln mit ihren Gebäuden auch noch eine symbolische Funktion, die auf koreanischen Touristenhompage erklärt wird:



Das Thema bei der Schaffung der Inselchen war „Blumen des Hangang Flusses“. Sie repräsentieren die Aussicht, das Leben und die Erde, aber gleichzeitig auch verschiedene Phasen im Leben einer Blume. Die größte schwebende Insel steht für die Aussicht und repräsentiert eine Blume in voller Blüte. Die mittlere Insel steht für das Leben und repräsentiert eine Blumenknospe. Das kleinste Inselchen steht für ein Samenkorn und repräsentiert damit logischerweise die Erde. Um die ganze Symbolik noch deutlicher zu machen, schwammen riesige Blümchen auf dem Wasser zwischen den Inseln. Selbstverständlich hatten diese auch unterschiedliche Größen.

Drei Blumen im Wasser repräsentieren die Inseln und ihre Konzepte

Es war ein hübsches, stimmiges Bild. Die sanft wogenden Wellen, die immer wieder gegen die Ufer schwappten und die Brücken zwischen den Inseln in Schwingung versetzten, taten ihr übriges zur zauberhaften Atmosphäre bei. Nach einiger Zeit und genauer Besichtigung ging ich weiter. Immerhin galt es einen Regenbogenwasserfallursprung zu finden.

Doch zuvor wurde ich noch von der komischen Brückenkonstruktion aufgehalten. Hier verliefen wirklich zwei Brücken parallel untereinander – oder übereinander, je nach Blickwinkel. Die untere Brücke hing knapp über dem Wasser und war älter als die obere. Ihr Name war Jamsu Brücke. Bei starkem Regen und steigendem Wasserpegel wird die Brücke gesperrt und den steigenden Fluten überlassen. Einige Meter darüber, sicher vor dem Hangang Fluss, verbindet die Banpo Brücke Nord- und Südufer miteinander.

Wie ich später erfuhr, war es eben diese Banpo-Brücke, an der das Wasserschauspiel hätte stattfinden sollen, doch weder Lichter noch Wassermassen waren an. Ich fragte mich also, welche Brücke noch so bunt beleuchtet war. An diesem Tag sollte ich es nicht herausfinden. Ich wagte noch einen kurzen Spaziergang durch den Park um die Brücke herum, stellte aber schnell fest, dass es bei den Lichtverhältnissen nicht den geringsten Sinn hatte, irgendein besonderes Ziel anzustreben. Also machte ich mich bald auf dem Weg zurück in die Herberge.

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Sonntag, 7. Mai 2017
Sylvester in Seoul - Tag 6
Für den Neujahrstag stand nur eine Sache auf dem Programm: Treffen mit Anneena und Familie bei ihr zu Hause.

Sie waren rücksichtsvoll genug, mich nicht direkt morgens zu empfangen, da ich ihnen mitgeteilt hatte, dass ich am Vorabend noch zur Bosingak Belfry Glocke gehen wollte. Eine Verabredung um die Mittagszeit hieß, dass ich erst um 10 Uhr aufstehen musste, weil die Fahrt schon mehr als eine Stunde einnahm. Also war es eine gute Uhrzeit, die mir einen ruhigen Morgen versprach.

An der verabredeten Haltestelle begrüßte mich Anneena. Dieses Mal war ich pünktlich, denn ich wusste, wie viel Zeit ich einplanen musste, und überraschte die junge Dame. Sie verkündete mir, dass wir noch ein Stück zu Fuß gehen mussten. Das Stück war eine halbe Stunde, aber in Seoul ist das um die Ecke. Wir hätten den Bus nehmen können, aber sie musste zwischendurch noch etwas im Supermarkt holen, weshalb es sich nicht lohnte. Nach einem kurzen Abstecher im nächstbesten Supermarkt, in dem ich mir Mini Yakgwa holte, näherten wir uns Anneenas Wohnung. Allerdings mussten wir dafür einen kleinen Berg erklimmen.

In einer Wohnsiedlung mit vielen, meist drei- bis viergeschossigen Mehrfamilienhäusern bog Anneena in einen Hauseingang und zeigte mir den Weg zu ihrer Wohnung. Es überraschte mich, dass die Tür zum Haus offenstand. Das Gebäude war zwar nicht mehr das neuste, aber man hatte überall neue Türen mit elektronischen Zahlenschlössern eingebaut. Das Treppenhaus hingegen hatte schon lange keine Sanierungsarbeiten erfahren. Es wirkte alles sehr abgenutzt und alt, inklusive der Fenster.

Hinter der Tür begrüßte uns ein winziger Eingangsbereich, in dem man seine Schuhe stehenließ, bevor man eine Stufe hinauf in die Wohnung durfte. Mit winzig meine ich einen Quadratmeter. Es gab keinen Flur, sondern man stand sofort in der Wohnküche dieser Dreizimmerwohnung. Das war für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Der Boden war mit PVC ausgelegt und darüber lag eine Heizdecke, um eine Fußbodenheizung zu erzeugen. Anneenas Mutter zeigte mir sogar stolz, dass sie eine Heizdecke fürs Bett aus Deutschland hatten. Als ich ihr sagte, dass diese hierzulande überhaupt nicht beliebt waren, guckte sie mich erstaunt an. Aber das Produkt war eindeutig deutschen Ursprungs: Beschriftung und Flagge waren unverkennbar.

Als Anneenas Mutter mir meinen Wintermantel abnahm, fiel sie beinahe um. Sie stellte überrascht fest, wie schwer er doch war. So langsam dämmerte mir, warum Koreaner sich immer über die Kälte beschwerten: Zum einen tranken sie selbst bei Minusgraden eisgekühlte Getränke. Zum anderen waren ihre Winterklamotten nur dem Anschein nach wintertauglich. Ich hatte vorsichtshalber noch die Kapuze befestigt, weil ich nicht wusste, wie windig und kalt es in Seoul werden würde, also war der Mantel noch ein bisschen schwerer als sonst. Anneenas Winterjacke hingegen war ungefähr so schwer wie ein Ärmel meines Mantels. In Anbetracht der Tatsache, dass das junge Ding nur aus Haut und Knochen bestand, wunderte es mich umso mehr, dass sie bis zum heutigen Tag überlebt hatte – wenn es allein um die klimatischen Bedingungen ging.

Man stellte mich dem Herrn des Hauses, Anneenas Vater vor, den ich heute zum ersten Mal sah. Er war schon damit beschäftigt, das Essen aufzusetzen, denn es gab selbstgegrilltes Samgyeopsal. Dafür hatten sie extra den Tischgrill ausgepackt.

Selbstgemachtes Samgyeopsal

Natürlich durften einige Beilagen in Form von Kimchi und Kim nicht fehlen.

Beilagen zum hausgemachten Samgyeopsal

Es gab auch keine Zeit für eine Tour durch die Wohnung (ich weiß noch nicht einmal, ob das in Korea üblich ist), denn kaum dass ich angekommen war, setzte man mich an den Tisch und forderte mich auf zu essen. Anscheinend waren alle schon ausgehungert – oder sie nahmen das mit dem Essen äußerst ernst. Ich wollte auf die anderen warten, weil Anneenas Mum noch in der Küche wuselte, aber sie schob mir ein Stück fertiges Fleisch auf den Teller und drängte mich. Also begann ich zu essen. Es war sehr lecker. Der Reihe nach futterte ich mich durch, probierte hier, naschte dort. Das Kim war in Öl eingelegt, mit Sesam bestreut, angebraten und voll lecker.

Als alle verkündeten, dass sie satt waren, hörte Anneenas Vater auf, Fleisch nachzulegen. Der Packungsgröße nach zu urteilen, hatte er für eine ganze Kompanie geplant. Nach dem Essen jagte Anneenas Mutter uns zu einem Verdauungsspaziergang nach draußen. Ihre Tochter wollte mir unbedingt Kaninchen zeigen, die so handzahm waren, dass sie jedem aus der Hand futterten. Zudem hatten sie gelernt, dass Leute, die etwas Raschelndes in Händen halten, ihnen Süßigkeiten geben, also ließen sie sich mit Tüten anlocken.

So zogen wir, Jacob, Anneena und ich, uns an, packten einige Gemüsereste und Snacks ein und zogen in den nah gelegenen Park. Es ging wieder bergab, bergauf, bergab. Ich wunderte mich, wie diese beiden Kinder sofort nach so einem Essen so fit sein konnten. Dann erinnerte ich mich, dass es Kinder waren. Außerdem liefen sie diese Strecke mehrmals am Tag, weil es auch ihr Schulweg war. Wie dem auch sei, sie liefen mir davon und ich hatte Mühe mitzuhalten. Stellenweise waren hölzerne Stufen angebaut worden, um den Passanten den Aufstieg zu erleichtern. Aber oft war es bequemer, diese nicht zu benutzen, weil der Abstand zwischen den Stufen nicht genormt war. Für mich waren es für gewöhnlich eineinhalb Schritte, die ich tätigen musste, um die Stufen zu erklimmen. Das war äußerst unangenehm.

Schon auf der ersten Lichtung fanden sich zwei schwarze Kaninchen, die so zutraulich waren, dass man sie beinahe hätte mit nach Hause nehmen können.

schwarze Kaninchen mitten im Wald

Wir gaben ihnen erst einmal einige Salatblätter, bevor Anneena Küchelchen auspackte und den beiden vorsetzte. Meine kleine Koreanerin war eingeschnappt, weil eines der Kaninchen ihr nicht aus der Hand fressen wollte. Sie lockte es mit der Süßigkeitenverpackung, hielt ihm dann aber ein Stück Salat unter die Nase. Ich würde behaupten, es ließ sich einfach nicht auf den Arm nehmen. Der Gesundheitsfaktor dieser Ernährung sei mal dahingestellt.

Auf der Lichtung befand sich ebenfalls ein Outdoor-Fitnesscenter.

Outdoor-Fitnesscenter mitten im Wald

Es gab verschiedene Geräte, von denen einige mit Eigengewicht arbeiteten, andere einfach nur die Beweglichkeit förderten. Was mich besonders erstaunte, war die Tatsache, dass es zwar viele dieser Fitnesseinrichtungen gab, Kinderspielplätze dafür Mangelware waren. Außer auf Schulhöfen hatte ich keinen kindgerechten Platz gefunden. Da wunderte es mich gar nicht, dass Jacob und seine Schwester die Fitnessgeräte als Alternativen verwendeten. Immerhin standen sie überall rum, manchmal sogar nur einzelne Geräte neben einem Parkplatz.

Nach einer Weile zogen wir weiter, um mehr Kaninchen zu suchen, aber auch um uns ein bisschen zu bewegen. Da der Park auf einem Hügel lag, konnte ich zudem noch die Aussicht bewundern. Viel gab es da nicht, immerhin war es eine einfache Wohngegend mit vorwiegend kleinen Häusern. In der Ferne sah man einige Hochhäuser.

Wir fanden noch mehr Kaninchen in verschiedenen Farben. Es gab weiße, graue, rote, alte und junge Kaninchen.



Anneena mochte am meisten die mit großen Augen. Nachdem wir eine große Runde gedreht hatten, fiel den beiden nichts mehr ein, was sie mir zeigen könnten. So schlenderten wir langsam wieder zurück, gingen wieder durch den Park, weil er schöner als die Straßen war, und kamen bei Anneenas Elter an, als sie gerade Hoddeok aufsetzten.

Über zu wenig Essen könnte ich mich in Korea wirklich nie beklagen. Es erinnerte mich eher an einen Besuch bei meiner Großmutter. Wenn ich nicht selbst für meine Verpflegung sorgte, gab es wahrscheinlich keine Möglichkeit mich vor den Mengen zu schützen. Ich lief Anneenas Mutter hinterher und frage sie, wie ich helfen könne, doch sie verbannte mich auf die Couch. Ihr Sohn hatte gerade Avatar – The Last Airbender rausgeholt und nahm mich als Stimmungsbarometer für die Folgen, die er sehen würde. Ich sollte eine DVD raussuchen. In der kurzen Zeit, die der Fernseher einfach so mit normalem Programm lief, fiel mir auf, dass Ton und Bild versetzt waren: Der Ton kam fast zwei Sekunden nach dem Bild. Als ich die Familie darauf ansprach, meinte Anneenas Mutter, dass koreanische Pay-TV nun einmal ein bisschen anders sei. Ich war baff. So könnte ich nie fernsehen. In dem Zusammenhang war ich umso glücklicher, dass der Junge eine DVD einlegte, bei der alles immerhin stimmte. Natürlich mussten wir es auf Englisch sehen, weil ich zugegen war und kein Koreanisch verstand. Tatsächlich wollte ich, dass die Kinder mal ein bisschen übten.

Da Fernsehen für mich eine geisteseinnehmende Tätigkeit war, konnte ich nicht wirklich Konversation betreiben. Gleichzeitig vielen mir auch nicht viele Themen ein, über die ich mit Anneena oder ihrer Mutter reden könnte, was mit Sicherheit auch an der leerenden Wirkung des laufenden Fernsehers lag. Davon abgesehen war mein Bauch sehr voll. Jedenfalls endete es darin, dass die junge Dame des Hauses lustige Bilder mit mir schoss und der junge Herr dabei zusah, wie die Welt von einer Horde Kinder gerettet wurde.

Zwischendurch tischte Anneenas Mum uns noch selbstgemachte Hoddeok auf, die sie in mühseliger Kleinstarbeit hergestellt hatte: Sie musste eine Fertigbackmischung anrühren. Kein Wunder, dass meine Hilfe überflüssig war. Das Ergebnis ließ sich allemal sehen:

selbstgemachte Hoddeok

Zur Stärkung unserer Abwehrkräfte in diesem bitterkalten Winter gab es außerdem ein Fläschchen Yakult für jeden von uns, doch auch diese hatten sich für die Saison schick gemacht.

Yakult in festlicher Flasche

Da viele Koreaner Yakult nicht wie üblich tranken, sondern oftmals einfroren, um daraus Eis zu machen, hatte der Hersteller es sich angewöhnt, die Öffnung auf der anderen Seite anzubringen, weil es dadurch für die Konsumenten einfacher wurde. Das war eine wirklich interessante Kleinigkeit, die ich da gelernt hatte.

Irgendwann wurde es spät und Anneenas Mutter hatte sich angeboten, mir beim Verschicken eines Paketes behilflich zu sein. Also packten wir einen Schuhkarton voll mit Süßigkeiten, versigelten ihn sicher und gingen zum nächstbesten Laden, um ihn dort abzuschicken. Zwischen Tür und Angel drückte Anneena mir noch ein Buch in die Hand. Es war ein Kinderbuch, das vom Wolkenbrot handelte. Sie schenkte es mir, weil sie und ihr Bruder eh schon zu alt dafür waren, der Lesestoff aber genau auf meinem Sprachniveau war. Es war eine süße Geste und ich freute mich darüber. Allerdings hatte ich keine Zeit, es in meinen Rucksack zu packen, also hielt ich es samt Paket in der Hand. Sonntag und erster Tag des Jahres hatten hierbei keinerlei Bedeutung, denn es war nicht koreanisches Neujahr und die Geschäfte waren sonntags nun einmal immer geöffnet.

Den Aufkleber mit Empfänger und Absenderadresse durfte man selbst erstellen. Zum Glück hatte ich Muttersprachler dabei, denn alleine wäre ich gescheitert. Anneenas Mutter machte alles zügig, gab ihre Adresse als Absender ein, ließ mich aber bezahlen und dann legten wir das Paket einfach so in einen offenen Behälter. Man musste nichts aufschließen, nichts einschließen, es wurde nicht irgendwo hinter der Theke verstaut, es lag einfach so in einem Container neben der Tür. Ich überlegte, ob so ein Konzept in Deutschland Chancen hatte, verwarf den Gedanken gleich aber wieder, weil ich verschiedene Leute lauthals „Briefgeheimnis“ schreien hörte. Als wir den Laden verließen, hatte ich das Buch nicht mehr bei mir, aber das würde mir erst einige Tage später auffallen.

Kaum waren wir aus der Tür raus, als auch schon der Bus angefahren kam. Dieses Mal stiegen wir ein und fuhren zur Metrohaltestelle. Selbstverständlich wurde die gesamte Fahr zusammen berechnet, wie es in Korea nun einmal üblich ist. Am Bahnhof verabschiedeten wir uns ausgiebig, ich bedankte mich tausendfach für die Einladung, all das Essen und die Hilfe sowie für einen schönen Neujahrstag. Dann fuhr ich zurück in die Herberge, um ein bisschen mehr Schlaf als die Nacht zuvor zu bekommen.

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Sonntag, 30. April 2017
Sylvester in Seoul - Tag 5
Samstag. Es war der letzte Tag des Jahres. In wenigen Stunden – nun ja, das ist Ansichtssache, denn der Tag hatte gerade erst begonnen – würde ein neues Jahr anfangen. Das war bei weitem kein Grund gegen eine ausführlich geplante Tour. Und Planung war mehr notwendig denn je, denn ich wollte den Wachwechsel am Deoksugung Palast sehen. Dieser Palast lag gegenüber der Stadthalle und bot dreimal am Tag einen Wachwechsel: um 11:00, 14:00 und 15:30 Uhr. Da ich noch andere Dinge vorhatte und nicht wusste, wie lange diese in Anspruch nehmen würden, wollte ich beim ersten Schauspiel zugegen sein. Das war recht spät, da meine Ausflüge für gewöhnlich früher begannen. Dennoch kam es mir ganz entgegen, denn immerhin musste ich an diesem Tag lange wach bleiben.

Ich aß also ein spätes Frühstück, plante genug Pufferzeit ein und zog zeitig los. Als ich ankam hatte ich noch genug Zeit, um mir die Umgebung anzusehen. In meinem Reiseführer wurde auch die Mauer um den Palast als sehenswert bezeichnet, weshalb ich mich auf den Weg machte, das Gelände zu umrunden. Eine wirklich kleine Straße führte von einer mittleren Straße neben dem Palast ab, und dort konnte man an der Mauer entlangspazieren. Es gab breite Fußgängerwege, Bremshügel, die Mauer in ihren verschiedenen Epochen und bunte Bäume. Die Bäume waren deshalb bunt, weil irgendjemand ihnen Mäntelchen gehäkelt hatte. Es war ein urkomischer Anblick: Auf der einen Seite stand ein kulturhistorisches Monument, daneben fand man Guerilla Knitting. Ich gebe zu, dass der Kontrast, auch in seiner farblichen Natur, mir sehr gefiel.

Mauer entlang des Deoksugung Palasts

Ich zog weiter, die Mauer veränderte sich, wurde mal kleiner, mal größer. Dann fand ich ein Tor, das deutlich machte, dass hier nicht der Eingang zum Palast war. Gegenüber fand ich eine Botschaft, war mir aber nicht sicher, welches Land es war. Die bewaffneten Soldaten davor waren jetzt nicht sonderlich einladend. Ich bog um eine Ecke und stellte fest, dass die Mauer aufhörte und Wohngebäude anfingen. Das war nun wirklich bizarr: Man hatte die Mauer weiter um das Gelände gezogen, aber die Straße endete in einer Sackgasse. An den Rest der Mauer grenzten Hinterhöfe, private Gärten und Firmengebäude. Ich war baff. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Es reicht zu sagen, dass ein Rundgang um die ganze Mauer sich nicht lohnt, dass man gerne bei der ersten Biegung aufhören kann, um dann den Rückweg anzutreten. Rechtzeitig zum Wachwechsel war ich wieder zurück am Eingangstor des Palastes.

Es war bereits alles für den bevorstehenden Wachwechsel vorbereitet: eine Trommel stand einige Meter vor dem Tor; rot-blau-gelbe Abgrenzungen machten neugierigen Zuschauern deutlich, bis wohin sie gehen durften; dort wo sich keine Absperrungen fanden, gab es immer noch deutliche Markierungen auf dem Boden; ein Mann wies Leute im Zweifelsfall zurecht. Ich bezog Position, genau gegenüber vom Eingang, und beobachtete die jetzige Wachmannschaft genau. Sie war sehr nachlässig. Hier kratzte sich jemand im Gesicht, dort gähnte einer ausgiebig. So langsam dämmerte mir, warum Korea keine Monarchie mehr war.

Dann war es elf Uhr, im Hintergrund hörte man Blasinstrumente und Trommelschlag, zwischen den massigen Pfeilern des Tores sah man bunte Wimpel und Fähnchen; die Wachablösung rückte zielstrebig näher. Schon bald kamen bunt gekleidete Männer (und Frauen, glaube ich auch) durch den – von mir aus gesehen – linken Teil des Tores marschiert. Ihre Banner waren so lang und hoch errichtet, dass sie beinahe das Gebälk zerkratzten. Als erstes marschierten die Bannerträger in lila heraus, gefolgt von der gelben Garde Musikanten und zum Schluss erschienen die blaugekleideten Soldaten. Dieser Tross drehte eine Ehrenrunde, bevor jede Person Aufstellung bezog.

Wachwechsel am Deoksugung Palast

Wachwechsel am Deoksugung Palast

Rechts von mir untermalten die Musikanten einzelne Teile der Zeremonie. Ab und an wurde die große Trommel dreimal geschlagen, doch es war ein rotgekleidetes Männchen, dem diese Ehre zuteilwurde.

Wachwechsel am Deoksugung Palast

Ein anderes Rotgekleidetes Männchen, anscheinend ein offizieller Abgesandter aus irgendeinem finsteren Büro, überwachte derweil, dass die Wachablösung mit rechten Dingen zuging. Die Kapitäne der Truppen (oder welchen Rang auch immer sie bekleiden mochten) fielen durch ihre kunterbunten und schwarzen Uniformen auf, die zwar dem Schnitt der Soldaten nachempfunden waren, allerdings deutlich mehr Farbspektrum und Vielfalt zeigten.

Wachwechsel am Deoksugung Palast

Siegel wurden präsentiert, Waffen gezeigt, Reden geschwungen, Befehle gebrüllt, Leute drehten Ehrenrunden, Hörner erschallten, Trommeln dröhnten, und dann posierten die Gardisten für neugierige Touristen. Es gab sogar eine Ansage, dass man jetzt Fotos mit ihnen zusammen machen durfte. In schöner, koreanischer Manier waren alle Teilnehmer grellbunt gekleidet. Und damit war der Wachwechsel am Deoksugung Palast vollzogen.

Wachwechsel am Deoksugung Palast

Ich lächelte in mich hinein und kaufte mir eine Eintrittskarte für 1000 Won. Hinter dem Tor erhaschte ich noch einen Blick auf die Gardisten, die in völlig unzeremonieller Manier ihre Haltung fallen ließen und mit einander scherzten. Da legten sie für fünfzehn Minuten Disziplin an den Tag, nur um hinter den Kulissen umso nachlässiger zu sein. Wie dem auch sei.

Wie in den anderen Palästen auch gab es im Deoksugung Palast viele freie Flächen, die als Höfe für die Gebäude dienten. Außerdem wurde dieser Palast bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts genutzt, was zu vielen Modernisierungsarbeiten geführt hatte. Beispielsweise gab es elektrisches Licht und Teppichboden in einem Pavillon. Zwar waren viele Gebäude Feuer zum Opfer gefallen, aber man hatte sie wieder aufgebaut, so dass neugierige Besucher sie sich heutzutage ansehen konnten.





Deoksugung war eine recht seltsame Ansammlung von Kuriositäten. Zum einen gab es die westlichen Deckenlampen an einer ansonsten koreanisch-bunten Zimmerdecke, aber das war noch nicht alles. Stein wechselte sich mit Holz ab, bunte Verzierungen mit naturbelassenem Holz, Tradition mit Moderne. Auf der einen Seite standen viele hölzerne Gebäude in traditionell koreanischer Bauweise, während man auf der anderen Seite massive Steinbauten im Kolonialstil fand. Dazwischen gab es noch einen Garten in europäischem Stil und einen Springbrunnen, der zu dieser kalten Jahreszeit nicht lief. Es war wirklich faszinierend.



Regierungsgebäude mit Springbrunnen

Europäischer Garten im Deoksugung Palast

Wie es in Korea nun einmal vielerorts üblich war, durfte man nicht allzu viele Berührungsängste an den Tag legen, wenn man solch eine Sehenswürdigkeit besuchte. Den Jeonggwanheon Pavillon beispielsweise durfte man explizit betreten, vorausgesetzt man tauschte vorher seine Straßenschuhe gegen Filzpantoffeln aus. Darin durfte man sich auch auf die Stühle setzen und die Tische anfassen, während man Teppichboden unter den Füßen und blumenförmige Lampen überm Kopf bestaunte.

Jeonggwanheon Pavillon von innen

Der Thronsaal war ein enormes Gebäude, dessen Decke mit goldenen Drachen geschmückt war. Selbstverständlich war der Thron pompös. Immerhin ging es hier um die Repräsentation von Macht.

Drachen an der Decke des Thronsaals

Thron

Thronsaal

Ich verbrachte ziemlich viel Zeit dort, ging durch jede Tür und jedes Tor, das nicht verschlossen war, schlenderte durch die Gärten und entdeckte Sitzgelegenheiten für erschöpfte Besucher, sah mir Gebäude genau an und ging anderen Besuchern aus dem Weg. Als ich fertig war, zog ich weiter in einen anderen Stadtteil, der nicht so weit entfernt schien (und es tatsächlich auch nicht war): Myeongdong.

Tatsächlich war der Weg vom Palast nach Myeongdong ziemlich kurz, so dass ich wenige Minuten später vor dem riesigen Touristeninformationszentrum stand. Zwar hatte ich keine konkreten Fragen an die Angestellten, konnte ebenso wenig mit Beschwerden dienen, aber ich wollte mal einen Blick hineinwerfen, weil es das größte Touristenzentrum im ganzen Land sein sollte. Als ich eintrat, wurde ich tatsächlich von mehreren Wänden mit Broschüren und Flyern begrüßt, die sich ausschließlich auf Sehenswürdigkeiten in und um Seoul bezogen. Selbstverständlich gab es diese in verschiedenen Sprachen.

Ich warf einen kurzen Blick auf die Papiermassen vor mir und zog dann weiter in den Souvenirshop, der auch hier drinnen war. Dort fand ich eine richtig schöne Hülle für Reisepässe. Es war eine zusammengefaltete Weltkarte, die auf alt und gebraucht getrimmt worden war. Sie war in Brauntönen gehalten und bestand aus gefestigtem und beschichtetem Papier. Also holte ich sie mir, nur um dann festzustellen, dass der deutsche Reisepass nicht hineinpasste. Ich musste sie wieder zurückgeben.

Auf meinem Weg nach draußen wurde ich von einer freundlichen Mitarbeiterin aufgehalten, die mir anbot an einer Lotterie teilzunehmen. Ich musste nur eine Kugel aus einem Behälter ziehen und würde einen Preis bekommen. Im Gegenzug musste ich ihnen nur mein Ursprungsland sagen. Das war ein fairer Deal, wie ich fand, also machte ich mit. Ich gewann eine Geldkarte, die wie die T-Money-Karte funktionierte und normalerweise um die 2000 Won kostete. In Anbetracht der Tatsache, dass meine T-Money-Karte noch voll funktionsfähig war, sah ich allerdings keinen Bedarf dafür. Ich packte sie ein und zog meiner Wege.

Wieder draußen beschloss ich, dass es Zeit für einen Snack war. Also suchte ich ein Café mit Leckereien. Nach einigem hin und her, auf und ab und einer schier endlosen Auswahl entschied ich mich für Sulbing. Im Winter boten sie nicht nur Bingsu, sondern auch heiße Speisen an. Also holte ich mir süßes Bohnenporridge und einen dampfend heißen Yujacha (also Tee). Yuja ist eine Zitrusfrucht, die zu Marmelade verarbeitet wird, aus der man wiederum Tee macht. Er schmeckte mir sehr gut. Auch das Porridge war sehr gut, sehr sättigend und typisch koreanisch.

Bohnenporridge und heißer Tee im Sulbing

Frisch gestärkt zog ich weiter zur Kathedrale dieses Viertels, die wegen ihrer Bedeutung für die Christenheit in Korea sowie für ihren gotischen Stil groß angepriesen wurde. Man musste erst einmal viele Stufen hinaufsteigen, durfte dabei aber ein Feld von weißen (Kunst)Rosen bewundern.

Kathedrale in Myeongdong von außen

Es gab sogar einen speziell eingerichteten Platz, von dem aus man das beste Foto schießen konnte. Ich entschied mich für andere Ansichten derselben Sehenswürdigkeit. Auf dem Hof vor der Kirche fand sich ein Krippenspiel in fast Lebensgröße, das selbstverständlich auch als Kulisse für stimmungsvolle Fotos genutzt wurde.

Krippenspiel vor der Kathedrale in Myeongdong

Innen fand ich eine Kirche vor, wie ich sie eben kenne. Mit einer Ausnahme: Es gab Fernseher. Selbstverständlich dienten diese Geräte nicht dazu, die aktuelle Episode der Sportschau zu zeigen oder die koreanische Variante vom Dschungelcamp zu präsentieren, sondern man übertrug die Messe mithilfe von Kameras und Fernsehern in jeden Winkel der Kirche, damit die Leute auf den hinteren Plätzen sich nicht benachteiligt fühlten. Offensichtlich ging hier auch die Kirche mit den technischen Fortschritten der Zeit.

Dann war es Zeit, mich in die Menschenmassen zu stürzen und diesen Stadtteil in Augenschein zu nehmen. Ich schlenderte durch die Straßen, ließ mich von den Wogen treiben, ging mal die Hauptstraße, mal kleine Seitengassen entlang, bestaunte kleine Shops und riesige Einkaufszentren. Ähnlich dem Kakao-Friends-Shop fand ich einen Line-Friends-Shop. Für all jene, die es nicht kennen: Line ist der beliebteste Messanger-Dienst in Japan und hat neben normalen Smileys ebenfalls eigene Figuren in Tiergestalt. Allerdings sind sie nicht so cool wie die bei KakaoTalk. Ich ging am Laden vorbei.

Es war so voll. Überall waren Menschen. Stellenweise kam ich kaum durch, weil sich so viele Leute um eine Sache drängten. Aber ich fand verschiedene Socken und eine Maske mit dem Union Jack drauf. Das musste mitkommen.

Nachdem das erledigt war, stürzte ich mich auf den Straßenmarkt von Myeongdong. Es standen immer mehr Marktstände auf den Straßen und ich hatte vor, mich durchzufuttern. Immerhin war seit meinem Besuch bei Sulbing ein bisschen Zeit vergangen und es war Zeit für den nächsten Gang. Sich durch Marktstände zu futtern ist immer eine gute Idee.

Durch Beziehungen erfuhr ich davon, dass es hier im Viertel eine ganz besondere Eisdiele gab. Sie verkaufte Eis, das wie eine Rosenblüte aussah. Ihr Name: Milky Bee. Im Schaufenster konnte man dabei zusehen, wie der Fachmensch ein Blatt nach dem anderen anlegte und auf diese Weise ein kulinarisches Kunstwerk schuf. Es gab vier verschiedene Varianten und vier verschiedene Geschmacksrichtungen: Erdbeere, Joghurt, Schokolade und grüner Tee. Die Kombinationen waren Erdbeer-Joghurt, grüner Tee-Schokolade-Erdbeere, grüner Tee-Joghurt-Erdbeere oder Schokolade-Joghurt-Erdbeere. Der Preis hing davon ab, wie viele Geschmacksrichtungen man wählte. Drei Farben für 6000 Won (ca. 5 €) waren schon happig. Dennoch wollte ich mir dieses Erlebnis trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt nicht entgehen lassen. Also ging ich zur Kasse, bestellte eine Erdbeer-Joghurt-Schokoladen-Rose, bekam meinen Buzzer und sah im Schaufenster zu, wie ein Rosenblatt nach dem anderen angeklebt wurde.

Die Handgriffe des Eismannes waren zielsicher und geschwind. Innerhalb weniger Minuten entstand ein neues Eis. Als mein Buzzer summte, ging eine Tür auf und ich durfte ihn gegen mein Eis eintauschen.

Milky Bees Roseneis
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Schoko-Joghurt-Erdbeere

Es schmeckte sehr gut. Erdbeere, Joghurt und Schokolade harmonierten miteinander und keine Geschmacksrichtung war zu süß oder zu intensiv. Dank der kalten Temperaturen musste ich mir auch keine Sorgen machen, dass das Eis in meiner Hand schmelzen würde. Einziges Manko war das Hörnchen, denn es war aus dünnem Esspapier, so dass es unter der Last der Rosenblüte fast zusammenbrach, ohne dass man viel dazutun musste. Ich musste mich letztlich doch ein bisschen beeilen, weil das Hörnchen sonst nachgegeben hätte.

Dann gab es noch Tornadopotatoes. Ja, selbstverständlich holte ich mir auch eine Kartoffel am Spieß.

Tornadopotato!

Jetzt stand Eibrot auf dem Plan. Es war ein süßes Küchelchen, in dessen Mitte ein Ei eingebacken wurde. Es war eine komische Komposition aus süßem Teig und Ei, doch in keinerlei Weise schlecht. Mir schmeckte es jedenfalls sehr gut.

Eibrot in Myeongdong

Natürlich bin ich mir darüber in Klaren, dass das Essen an solchen Marktständen entschieden mehr als in einem Restaurant oder zu Hause kostet – selbst in Korea. Aber Urlaub ist für Spaß da, also hielt ich mich nicht zurück.

Nachdem ich das hinter mich gebracht hatte, wollte ich mir noch die nahegelegenen Lotte-Attraktionen ansehen, um genau zu sein den Lotte Young Plaza und Lotte Town, zwei Einkaufszentren, die aneinandergrenzten. Also brach ich zu der geballten Wucht Lotte auf, obwohl es nicht omnipräsent war, aber anscheinend war ich gerade in der Lotte-Gegend. Im Gegensatz zu den neu gebauten Shopping-Malls, die in Korea so aufwändig und stylish gestaltet wurden, waren alte Einkaufshäuser eher mit dem deutschen Pendant zu vergleichen. Wie Galeria Kaufhof, Karstadt oder P&C waren es einfach Verkaufsflächen mit vielen verschiedenen Läden. Der Lotte Young Plaza war mitunter bedrückend, weil die Decken so tief hingen, es keine Fenster gab und das Licht stellenweise eher duster wirkte. Es gab allerdings einen Teil in Lotte Town, der neu gestaltet schien und den Rückstand zu neuen Gebäuden aufzuholen suchte. Ein Teil der Rolltreppen am Haupteingang bot wesentlich mehr Luft, man hatte Platz für Cafés geschaffen und indirektes Licht hinzugefügt.

Lotte Town

Zwar war es immer noch nicht so modern wie ein frisch errichtetes Gebäude, beispielsweise Times Square, aber es half sehr. Draußen war dafür umso mehr Platz für Deko und Beleuchtung. Überall waren Lichterketten, alles war in Licht gehüllt, ob Bäume, Sträucher oder eigens aufgebaute Figuren. Es war ein kleines Lichtermeer.

Damit war mein Tag in Myeongdong abgeschlossen. Wie gesagt war es der letzte Tag des Jahres und ich musste mich noch für Sylvester vorbereiten, eine kleine Pause einlegen, bevor ich wieder aufbrach. Eine ordentliche Mahlzeit würde mir auch nicht schaden, weshalb ich wieder in Richtung Hostel fuhr und mir dort einen Laden mit Leckereien in der Nähe suchte. Ich fand ein kleines Lokal, in dem mal wieder kaum Englisch gesprochen wurde, was mich nicht davon abhielt, mir eine große Portion Bibimbap zu bestellten. Es war vorzüglich und genug für den Rest des Jahres.

Letztes Bibimbap im Jahr 2016

Danach zog ich mich zurück, um mich für die letzte Stunde des Jahres zu wappnen. Die Tradition in Seoul war, um Mitternacht des westlichen Neuen Jahres die Bosingak Belfry Glocke zu läuten. In meiner grenzenlosen Naivität nahm ich an, dass es reichen würde, wenn ich eine halbe Stunde vor dem Ereignis am Ort des Geschehens ankäme. Ich schätzte die Zeit, die ich bis dahin brauchen würde, nahm eine Bahn und stellte schon bald fest, dass ich nicht die einzige mit dieser glorreichen Idee gewesen war. Bereits in der Bahn waren viele Leute. An der Haltestelle stiegen viele von ihnen aus. Das wiederum machte es mir noch einfacher, den Weg zu finden, denn sie alle zogen in eine Richtung. Also folgte ich brav der Herde, vorbei am Tapgol Park, der zu dieser Zeit schon geschlossen war, vorbei an zahllosen Marktständen und Essenswägelchen, die immer noch geöffnet waren und ihre Waren feilboten, entlang der Jong-ro-Straße und blieb irgendwann stehen. Die gesamte Jong-ro-Straße war gesperrt und von der Polizei gut abgeschirmt.

Das Stehenbleiben war aber nur zum Teil eine gewollte Handlung, denn irgendwann ging es einfach nicht mehr weiter, und ich blieb auch nur zum Teil stehen, weil ich mich immer bewegen musste, wenn die Masse sich bewegte. Es war wie ein pulsierendes Meer aus Menschen. Man musste mit jeder Strömung mitgehen oder würde untergehen.

Sylvester nicht weit, aber auch nicht nah der Bosingak Belfry Glocke

Trotzdem war es eine sehr ruhige und gesittete Veranstaltung, die nicht die geringsten Spannungen aufkommen ließ, die ich in einem derartigen Trubel in Deutschland erwartet hätte. Zu meiner grenzenlosen Verwunderung zeigten die Koreaner aber trotzdem ein gewisses Maß an Anstand und Entgegenkommen, wenn es um Musiker und Künstler ging. Nicht weit von meinem festgefahrenen Aufenthaltsort gab es eine Gruppe traditioneller Musiker in ihren bunten Kostümen und Bommeln sowie Schleifen auf den Hüten. Sie standen im Kreis, machten Musik und vollführten ihre Tänze. Egal wie drängend voll es war, sie hatten fast immer genug Platz für ihre Vorstellung.

Tanzgruppe traditioneller Tänzer am Sylvesterabend

Das hieß keineswegs, dass ich auch nur irgendwo in der Nähe der Glocke war. Ich kann nicht einmal schätzen, wie viele Menschen zu diesem Ereignis anwesend waren, aber es war richtig voll, schätzungsweise mehrere Hunderttausend. Wahrscheinlich hätte man zwei Stunden früher erscheinen müssen, um auch nur in die Nähe des Pavillons zu gelangen, in dem die Glocke hing. Kluge Köpfe in der Verwaltung hatten das allerdings berücksichtigt und große Fernseher aufstellen lassen, auf denen man sowohl den Countdown als auch die Ereignisse direkt am Pavillon live miterleben konnte.

Als die letzten zehn Sekunden auf dem großen Bildschirm groß runtergezählt wurden, zählte jeder Koreaner laut mit. Bei Null, zum Jahreswechsel, herrschte aber schlagartig Totenstille. Jeder war ruhig, denn man wollte den Klang der Glocke hören. Und tatsächlich: Obwohl wir so weit weg waren, hörte man ihn leise erklingen. Gefolgt wurde das von einem einheitlichen, Bewunderung ausdrückenden „Ohhhh!“ seitens der Koreaner. Noch ein Glockenschlag, noch ein „Ohhhh!“. Es war einfach herrlich diese Stimmung mitzuerleben.

Nachdem die Glocke zum dritten Mal geschlagen worden war, löste die Menge sich plötzlich auf. Während in anderen Ländern das das Zeichen war, um mit der Party zu beginnen, sahen die Koreaner darin einen Wink sich wieder anderen Dingen zu widmen. Ich wollte aber noch ein bisschen stehenbleiben und mir ansehen, was es noch zu sehen gab. Ein großes Feuerwerk kam nicht. Es gab irgendwo weit vor mir ein kleines, öffentlich genehmigtes Feuerwerk, doch im Vergleich zu Deutschland war es mickrig. Es gab Kirmesfeuerwerke in Deutschland, die mehr Raketen in die Luft feuerten.

Dem koreanischen Otto Normalverbraucher war es nicht gestattet in dieser dicht besiedelten Stadt mal eben Raketen abzuschießen oder Böller durch die Gegend zu werfen. Verständlicherweise. Bei der Ansammlung von Menschen waren ernsthafte Verletzungen nicht auszuschließen, von Bränden und Beschädigung von Privateigentum mal ganz zu schweigen. Es gab allerdings einige kleine Feuerwerkskörper, die man selbst zünden durfte. Man hielt einen Stab in der Hand, aus dem bunte Leuchtkugeln einige Meter hoch in den Himmel schossen, um dann in weißem Licht zu explodieren. Es war knuffig. Nur wenige Menschen hatten so etwas mitgebracht oder zeigten Interesse am Kauf davon. Dieses Neujahrsfest war nicht das wichtige Neujahr in Korea.

Menschenmenge löst sich am Sylvesterabend auf

Meine Weigerung mich fortzubewegen hatte seltsame Folgen. Ich musste schon gegen den Strom ankämpfen, um nicht einfach mitgerissen zu werden, aber sobald die Menschen merkten, dass hier jemand stehen blieb, umflossen sie mich geschickt. Man ging sehr rücksichtsvoll miteinander um. Trotzdem musste ich mich immer wieder zusammensammeln, weil mal ein Arm, mal ein Bein, mal irgendetwas mitschwamm, während der Rest stehen blieb. Es war richtig lustig.

Als ich mich dann doch entschied zu gehen, weil ich nicht nach Hause laufen wollte, war der Strom an Menschen immer noch nicht versiegt. Sie gingen alle in Richtung Metro (verschiedene Haltestellen). Auch ich wollte noch meine letzte Bahn bekommen. Dank meiner Trödelei schaffte ich es gerade so. Aber es war viel zu lustig, mir das Spektakel anzusehen, also war ich froh, dass ich ein bisschen länger geblieben war. Endlich, gegen halb zwei, war ich im Hostel angekommen.

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Sonntag, 23. April 2017
Sylvester in Seoul - Tag 4
An meinem vierten Tag in Seoul war ich mit Anneena verabredet. Sie wollte mich ihren Freunden vorstellen, weil ich einen seltsamen, eher britischen Akzent hatte, während in Korea hauptsächlich amerikanisches Englisch Anklang fand. Meine viel zu junge Koreanerin machte sich gerne darüber lustig, wie ich einige Wörter aussprach. Wie dem auch sei.

Wir waren in Hongdae verabredet. Als ich dann endlich am richtigen Ausgang der richtigen Haltestelle angekommen war, scharrte sich auf einmal eine Meute kleiner Koreanerinnen um mich. Sie waren alle zwischen zwölf und dreizehn Jahren alt (es fällt mir immer wieder schwer mit Sicherheit zu sagen, wie alt sie in Europa wären), alles Mädels, alle sehr auf den Mund gefallen, wenn es darum ging, Englisch zu reden. Außer Anneena. Sobald sie Koreanisch sprachen, sah die Sache schon wieder anders aus.

Besonders lustig war folgende Unterhaltung mit einer von Anneenas Freundinnen:
Ich: „Do you even understand what I am saying?“ (Verstehst du überhaupt, was ich sage?)
Sie: „No!“
Ich: „I might as well say ‚I don’t speak Korean‘ in Korean.“ (Genauso gut könnte ich auf Koreanisch sagen, dass ich kein Koreanisch spreche.)

Zu ihrer Verteidigung: Den zweiten Satz verstand sie erst, nachdem ich ihn wiederholt hatte. Dann lachte sie trotzdem.

Die Mädels hatten auch schon ein Ziel ausgesucht. Sie wollten mir den Kakao-Friends-Shop in Hongdae zeigen. Praktischerweise befand er sich genau vor dem Metro-Ausgang, an dem wir uns trafen. Gute Planung. Weniger gut war, dass wir immer noch zwanzig Minuten warten mussten, weil der Laden noch nicht geöffnet war.

Kakao Friends Shop in Hongdae

Für all jene, die nicht im Bild sind: In Korea gibt es einen eigenen Sofortnachrichtendienst, der wesentlich populärer als Whatsapp ist. Er nennt sich KakaoTalk. Bei KakaoTalk gibt es verschiedene Emots, die ganze Figuren sind. Diese Figuren haben eigene Charaktere, Namen, Macken und Verhaltensweisen. Es gibt ein Standardpaket, das bei der Installation von KakaoTalk dabei ist, zusätzlich kann man aber auch Sondereditionen käuflich erwerben. Darüber hinaus ist es wesentlich einfacher, solch putzige Figürchen und ihre gesamten Merchandise-Artikel in Korea zu vertreiben als in Deutschland. Koreaner, ob groß oder klein, jung oder alt, männlich oder weiblich, haben entschieden weniger Berührungsängste, wenn es um süße, knuffige Sachen geht. Da wird auch mal Geld für völlig unnützes Zeug ausgegeben, bloß weil es einem gefällt und sooooooooo süß ist.

Je länger wir warteten, umso größer wurde die Menschentraube vor dem Eingang. Offensichtlich war der Laden sehr beliebt. Kaum dass die Türen sich öffneten, strömten wir mit den anderen Interessenten hinein. Es gab so gut wie alles mit einem Kakao-Friend-Motiv: angefangen mit Butterbrotdosen und Trinkflaschen, über übergroße Plüschtiere (offensichtlich) und Notizblöcke hin zu Bett- und Unterwäsche. Natürlich gab es auch Babysachen mit dem Lieblingskakaofreund. Auch ich fand eine süße, nette Kleinigkeit, die ich gerne mitnehmen wollte: einen Magneten mit Neo, der Katze. Tatsächlich war das nur meine zweite Wahl, aber der Magnet, den ich haben wollte, war ausverkauft. So oder so war ich mit meinem Kauf äußerst zufrieden.

Magnet der Katze Neo (Kakao Friends)

Selbstverständlich war das Innendekor auch auf Kakao-Friends getrimmt. Die Wände waren voll mit Bildern dieser Emots,

Wanddekoration im Kakao Friends Shop: alle Freunde

Wanddekoration im Kakao Friends Shop: Ryan

im Hintergrund liefen in einer Endlosschleife kurze Filmchen über die Charaktere, es gab sogar Figuren, die 1,5 Meter groß waren. Eine Figur von Ryan, dem neusten Mitglied der Kakao-Familie, war sogar drei Meter hoch. Fotos von und mit den Figuren waren ausdrücklich erwünscht. Im dritten und obersten Stockwerk dieses Verkaufsraumes gab es sogar ein Café, in dem man charakterbezogene Speisen und Getränke bestellen konnte. Wir entschieden uns dagegen, dort zu verweilen, weil die Preise doch recht happig waren. Stattdessen zogen wir nach einer ausgiebigen Runde mit vielen Fotos und einigen Einkäufen weiter. Einige meiner Begleiterinnen kauften sich sogar extra Tüten für ihren Einkauf, weil sie diese Taschen so klasse fanden – natürlich war ein Kakao-Freund drauf.

Die Mädels beschlossen einstimmig, dass es an der Zeit war, sich ein Lokal zum Essen zu suchen. Da sie mich fragten, was ich gerne essen würde, versteifte ich mich auf Jajangmyeon (ich habe keine Ahnung, wie das in deutschen Lettern geschrieben wird). Es waren Nudeln mit Sauce aus schwarzen Bohnen. Also schlenderten wir durch die Gassen von Hongdae, vorbei an zahllosen Marktständen und diversen Restaurants. Denn obwohl die Auswahl riesig war, musste es jetzt Jajangmyeon sein – Wunsch des Gastes. Nach einigem hin und her und häufigem Schaufensterbummel, weil die Mädels immer wieder etwas fanden, das ihnen so süß, so toll, so anfassenswert erschien, also einfach nur abgelenkt waren, entschieden wir uns für eine schummrige, unterirdische Lokalität, die ich in Deutschland nie betreten hätte, weil ich Angst um die Kinder bekommen würde – und um meine Nieren.

Auch hier stand nicht allzu viel auf dem Menü, da das Restaurant sich auf wenige Gerichte spezialisiert hatte. Die meisten von uns bestellten Jajangmyeon, während eine von Anneenas Freundinnen sich für Muschelsuppe entschied. Als Beilage beschlossen die Mädels auch Eier zu nehmen. Also brachte die Bedienung uns ein Körbchen voll Eier. Roher Eier. Sie zeigte zum vorderen Teil des Restaurants und erklärte den jungen Damen etwas, was sie ganz selbstverständlich hinnahmen. Ich guckte sie an, wie ein Ausländer, der nichts verstanden hatte. Also fragte Anneena mich, wie ich mein Ei wollte. Ich bat um ein Spiegelei. Anstatt einer Antwort stand sie auf und nahm die Eier mit. Ich guckte verwirrt drein, bis mir jemand erklärte, dass man die Eier selbst braten musste. Da guckte ich noch dümmer aus der Wäsche. Ich wollte es anfangs nicht glauben, weshalb ich aufsprang und den beiden Mädels folgte. Tatsächlich standen sie am Eingang des Restaurants und warteten darauf, dass einige Kunden vor ihnen die Pfanne frei machten. Man musste die Eier selbst zubereiten.

Selbstgebratene Eier in einem Restaurant. Kinderarbeit ;)

Portion Jajangmyeon

Eine Freundin von Anneena nahm sich dieser Herausforderung an und meisterte sie hervorragend. Die Spiegeleier waren köstlich. Das Jajangmyeon war fast zeitgleich mit den Eierbrätern am Tisch. Es war genauso lecker, wie ich es erwartet hatte. Mir wurde auch ein bisschen Muschelsuppe angeboten, doch ich lehnte dankend ab. Als wir dann alle fertig waren und uns zum Gehen schickten, riss ich die Rechnung an mich und gab sie nicht mehr her. Gegen diese noch nicht ausgewachsenen Koreanerinnen konnte ich mich immerhin durchsetzen. Dieses Mal würde ich bezahlen! Immerhin war ich die Älteste. Sie neckten mich und sagten wiederholt, ich solle die Rechnung rausrücken, doch ich weigerte mich standhaft. Stattdessen ließ ich sie stehen, ging zur Kasse und bezahlte, ohne sie irgendwie zu beachten. Dann fragten sie mich die ganze Zeit, wie viel sie mir schuldeten, doch ich betonte, dass es ok war. Endlich gaben sie nach. Meine Güte, das waren harte Verhandlungen.

Wir zogen weiter. Nächstes Ziel: ein Nachtisch für mich. Ich nutzte diese Gelegenheit schamlos aus und fragte Anneena, wo ich Hoddeok bekommen würde. Sie versicherte mir, dass das kein Problem sein würde, und führte mich innerhalb von wenigen Minuten zu einer kleinen Bude, die nur koreanische Nachtische verkaufte. Darunter war auch Hoddeok. Selbstverständlich holte ich mir einen; die Mädels wollten nichts.

Hoddeok im Becher

Wir schlenderten weiter durch Hongdae, ohne einen wirklichen Plan zu haben, was wir als nächstes anstellen sollten. Ich fand lustige Socken, die ich mir selbstverständlich käuflich aneignete. Die Mädels konnten sich einfach nicht entscheiden, bis eine von ihnen auf die Idee kam, in ein Café zu gehen. Doch dann blieb noch die Frage, welches Café es werden sollte. Also irrten wir weiter durch die Straßen, bis ein geeigneter Kandidat gefunden war. Es war Holly‘s Café. Während ich mich dort mit einem Tee begnügte, wählten meine Begleiterinnen bunte Getränke in verschiedenen Geschmacksrichtungen. So langsam erklärte es sich von selbst, warum diese eh schon dürren Gestalten so sehr froren: Sie tranken eisgekühlte Getränke bei Minusgraden.

Wir verbrachten einige Zeit in dem Café, unterhielten uns ein bisschen, was sehr putzig war, weil die meisten Mädels sich dazu durchringen mussten, auch nur zwei Sätze mit mir zu wechseln. Ich finde es klasse, dass sie es geschafft haben.

Es dauerte eine lange Weile, bis man sich für das weitere Vorgehen an diesem Tag entschied. Einige junge Damen mussten uns verlassen, weil sie noch zur Academy, also zum außerschulischen Unterricht gehen mussten. Einige andere Damen nutzten mich als Ausrede, um eben dorthin nicht gehen zu müssen. So oder so zogen wir in geringerer Stärke weiter.

Ich erwähnte, dass es da einen Snack gab, den ich mir kaufen wollte, aber dass ich nur einen Laden kannte, in dem dieser zu finden war, weil ich ihn letztes Jahr dort regelmäßig gekauft hatte. Es handelte sich um Schokoflips. Sie waren wir Erdnussflips, aber aus Schokolade. Es gab da ein Geschäft nicht allzu weit von unserem derzeitigen Standort, das ich gerne aufsuchen wollte. Die Anderen hatten keine bessere Idee, also folgten sie mir. Anstatt der Hauptstraße zu folgen, gingen wir den Weg durch die verwinkelten Straßen ohne Bürgersteige, die sich davon abzweigten. Es lief mehr oder weniger aufs Gleiche hinaus, nur dass es so viel interessanter war.

Dann waren wir angekommen.

Mecenatpolis Mall in Hongdae

In den Katakomben dieses Komplexes, Mecenatpolis Mall genannt, verbarg sich ein Supermarkt mit dem wohlklingenden Namen Home Plus. Dies war das Ziel meines Ausflugs. Zuerst gingen wir zielstrebig in den Supermarkt und sahen uns nach Leckereien um. Die Schokoflips von letztem Jahr gab es nicht mehr, aber eine andere Marke hatte ein ähnliches Produkt auf den Markt geworfen. Vorsichtshalber nahm ich es mit in der Hoffnung, dass es dem Original nahe kommen würde. Das tat es leider nicht. Es war lecker, ja, sehr schokoladig, aber viel zu mächtig. Die anderen Schokoflips waren fluffig leicht gewesen. Schade drum. Meine Begleiterinnen empfahlen mir noch jede Menge anderer Süßspeisen, darunter Flips mit Ahornsirup und einen koreanische Chipsvariante, die aber für Franziska gedacht war, weil sie für mich zu scharf gewesen wäre. Ich schwatzte den Mädels noch ein Kinder Country auf, was sie nur widerwillig annahmen, weil Anneena sie schon mit der deutschen Spezialität „salziger Lakritzhering“ vertraut gemacht hatte. Ich musste ihnen schwören, dass das hier nicht so schlecht schmeckte. Lakritze ist eben nicht jedermanns Sache.

Nachdem der Einkauf erledigt war, musste ich mehr von der Mall besichtigen. Das lag nicht nur daran, dass eine ungewohnte Nostalgie in mir aufkam, sondern auch an der Neugier meiner Begleiterinnen, die hier und da interessante Geschäfte entdeckten. Diese Schlenderei genoss ich richtig. Man hatte das Innendekor geändert: Kleine Windmühlen zierten die künstlichen Blumenbeete. Künstliche Tulpen erinnerten ebenfalls an Holland. Es gab extra Podeste inmitten der künstlichen Blumenpracht, um optimale Fotos schießen zu können. Die bunten Regenschirme waren immer noch vor Ort. Herrlich.

Neues Dekor der Mecenatpolis Mall

Blick auf dem Mecenatpolis Mall von oben


Als der Rundgang sich seinem Ende näherte, fielen meinen Begleiterinnen keine Ausreden oder neuen Ziele ein. Daher entschlossen wir uns, heute getrennte Wege zu gehen. An der Haltestelle verabschiedeten wir uns und ich fuhr zurück ins Hostel. Doch es war noch viel zu früh, um den Tag ausklingen zu lassen, weshalb ich mich kurzerhand dazu entschloss, Hulk in seinem Hotel zu besuchen. Immerhin hatte er mir angeboten, dass ich jederzeit vorbeischneien könne. Ich packte meine Siebensachen, die Geschenke für ihn und Seol Hee, die tags darauf Geburtstag haben würde, und setzte mich wieder in die Metro.

Wenige Minuten später stand ich bei ihm an der Rezeption. Die Dame am Schalter, es war nicht Anne, bekam erst einmal einen kurzen Herzstillstand, als sie mich selbstsicher ins Foyer marschieren sah. Als ich aber nach dem Manager fragte, fiel ihr ein Stein vom Herzen und sie eilte ins Hinterzimmer, um ihren Chef zu holen. Ich kann nicht sagen, wie gut ihre Englischkenntnisse waren.

Hulk empfing mich warmherzig und fing im nächsten Atemzug schon an, sich zu entschuldigen, weil er jetzt so viel zu tun hatte und wenig Zeit für mich fand. Ich bemühte mich darum, ihn zu beschwichtigen, schließlich hatte ich damit gerechnet, dass er mit Arbeit eingespannt sein würde. Daraufhin versprach er mir, einen ganzen Abend Zeit für mich zu finden, bevor ich noch abreise. Das fand ich süß. Um ihn ein bisschen aufzuheitern und weil mein Rucksack langsam schwer wurde, übergab ich ihm meine Geschenke an die beiden. Es war eine Menge ausgesuchter Süßigkeiten, insbesondere Kekse und Waffeln, eine Flasche Killepitsch und ein Kochbuch für Seol Hee. Letztes Jahr hatte Seol Hee erzählt, wie sehr sie Kartoffeln liebte. Aber leider hatte sie keine Ahnung, wie man Kartoffeln zubereitete. Also hatten wir ihr ein Kochbuch mit Kartoffelrezepten auf Englisch besorgt. Es schien das perfekte Geschenk – und sie bestätigte es. Aufgeregt teilte sie mir mit, dass sie jetzt mehr Englisch lernen müsse, um das Buch zu verstehen.

Ich hatte eine ruhige Minute erwischt, so dass Hulk mir einige Momente seiner kostbaren Zeit zur Verfügung stellen konnte. Wir plauderten, scherzten und machten Pläne, bevor er wieder zur Arbeit gehen musste. Ich erkundigte mich, ob er einen guten Laden mit Kimbap in der Nähe kannte, weil ich wirklich Lust darauf hatte. Er verneinte, gab mir aber den Tipp, mich in der Nähe meiner Haltestelle umzusehen, weil es dort immer viele kleine Lokale gab. Das nahm ich mir zu Herzen.

Mit diesen Worten verließ ich meinen Manager des Jahres und fuhr wieder ins Hostel zurück. Mittlerweile war es schon später und so langsam wollte ich den Tag ausklingen lassen. An der Haltestelle ging ich einen anderen Weg und fand auf Anhieb ein kleines Lokal, das nur Kimbap anbot. Große Werbeschilder mit bunten Bildern luden alle Leute deutlich ein. Als ich eintrat, sah ich kurze Panik in den Gesichtern der Angestellten auflodern. Dann machte ich aber mit einfachen Worten und zusätzlichen Handzeichen meine Wünsche deutlich, woraufhin reges Treiben begann. Ja, so viel Koreanisch konnte ich mittlerweile. Kimbap wird immer frisch zubereitet. In wenigen Minuten war es fertig, ich zahlte meinen Betrag und verließ die Damen mittleren Alters mit einem Lächeln. Zum Abendessen gab es Kimbap. Es war sehr lecker.

Kimbap

Kimbap: Close up

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Sonntag, 16. April 2017
Sylvester in Seoul - Tag 3
Tag 3 in Seoul war ein historischer Tag. Nicht, dass ich irgendwie in die Geschichtsbücher eingehen würde, nein, einfach nur deshalb, weil ich mich für historische Sehenswürdigkeiten entschied und eine kleine Zeitreise durch die Stadt machte.

In der Nacht auf Donnerstag hatte es geschneit, und obwohl es nicht viel Niederschlag gab, lag noch immer eine dünne Schicht weißer Wunderpracht hier und da. Stellenweise waren auch Straßen und Gehwege vereist, was die Seouliten keinesfalls von ihrem Alltag abhielt. Die Luft war klar, frisch und eisig. Sie zwickte in die Wangen, doch es war keine Kälte, die bis unter die Haut ging. Es war herrlich – jedenfalls für mich war es ein Wetter nach Maß.

Für diesen Tag hatte ich mir vorgenommen, die ehemalige Stadtmauer in Teilen zu besichtigen und einige andere Sehenswürdigkeiten im Umkreis davon mitzunehmen. Nach meinem ausgewogenen Frühstück im Hostel brach ich auf. Das erste Ziel war der Dongdaemun Design Plaza.

Dieses riesige Gebilde beherbergte Ausstellungsräume, ein Design-Museum, Sky Lounge und einen Souvenirshop. Von außen sah dieser außerirdisch wirkende Koloss wie ein silber-grauer, mit Kacheln besetzter Blob aus zähflüssiger Masse aus, der irgendwann vom Himmel auf die Landschaft gefallen und festgefroren war. Um ihn herum fanden sich aller Art von Kunstwerken und Kulturgütern, angefangen von sphärischen Stücken, über Plastikbäume hin zu Fundamenten vergangener Jahrhunderte. Doch ein immer wieder auftauchendes Thema waren verschiedene, teils entstellte Figuren von Menschen oder humanoiden Formen. Ich mochte sie nicht. An einigen Stellen, die bis zu dieser Stunde noch nicht vom Sonnenlicht berührt worden waren, lagen noch einige zarte Zentimeter Schnee.

Dongdaemun Design Plaza

Dongdaemun Design Plaza

Dongdaemun Design Plaza

Die ganze Konstruktion wurde hier und dort zudem von Grasflächen aufgelockert. Ich bin mir sicher, dass es im Sommer viel kunstvoller aussah, denn jetzt in der Winterzeit war das Gras trüb-braun. Die schiere Größe, aber auch die runde Formgebung des Plazas beeindruckte mich sehr. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt mir die äußere Struktur anzusehen, als dass ich auf die Idee gekommen wäre, mal einen Blick ins Innere zu wagen, obwohl ich an mehreren Eingängen vorüber lief.

Dann lenkte mich eine andere Sehenswürdigkeit direkt neben dem Dongdaemun Design Plaza ab: die alte Stadtmauer – mein eigentliches Ziel für den Tag.

Blick auf ein begehbares Stück der Stadtmauer neben dem Dongdaemun Design Plaza

Aus einer kleinen Senke ragte ein Stück breite Mauer hervor. Es war nicht hoch, es war nicht sonderlich beeindruckend, es war nur das Fundament. Aber man durfte drüber laufen. Also lief ich erst in die eine, dann in die andere Richtung, bis ich genug davon hatte und weiterzog.

Als nächstes stand ein weiteres Stadttor auf meiner Liste, nämlich das Heunginjimun Tor.

Heunginjimun Tor

Im Gegensatz zum Sungnyemun Tor war dieses von einer Mauer umgeben. Genau wie das Sungnyemun Tor stand dieses an einer großen Kreuzung. Während meines Besuches wurde das Tor gerade saniert, so dass man hier und da einige Gerüste oder Trennwände sehen konnte. Insgesamt gibt es heute noch sechs Tore in Seoul, die alle aus dem Ende des 14. Jahrhunderts stammen. Zwei weitere Tore wurden zerstört, so dass man an ihrer Stelle nur noch Hinweise auf ihre ehemalige Existenz findet.

Man musste nur die Kreuzung am Heunginjimun Tor überqueren, um in den Dongdaemun Seonggwak Park zu gelangen und ein großes Stück originaler Stadtmauer zu bewundern.

Der Dongdaemun Park, durch den dieser Teil der insgesamt 18,6 km langen Mauer verlief, war ein kleines Fleckchen Grün (ich vermute, dass es im Sommer grün ist, denn in diesem Winter war Ocker definitiv die vorherrschende Farbe), das zum Flanieren und Ausruhen einlud. Es gab sogar einen kunstvollen Pavillon, um sich hinzusetzen und den Anblick zu genießen.

Dongdaemun Seonggwak Park von oben betrachtet

Pavillon im Dongdaemun Seonggwak Park

Doch ich verspürte keine Lust auf Pause, zumal ein eisiger Wind wehte und die kristallklare Luft Winter mit sich trug. Stattdessen marschierte ich zielstrebig zur Mauer und kletterte neben ihr die Stufen empor. Sie war dick, aus massiven Steinen gebaut. Die Zinnen waren mitunter recht niedrig, doch dahinter verbarg sich oftmals ein Steilhang, so dass man immer noch gut geschützt war. An den verschiedenen Steinen konnte man erkennen, in welcher Epoche die Mauer gebaut, aufgebessert oder erhöht worden war. Durch die Schießscharten konnte man jetzt auf die Wohnviertel von Seoul herabblicken, wo beim Bau der Mauer einstmals die Wildnis angefangen hatte.

Blick auf die Stadtmauer und Viertel dahinter

Der Bereich direkt neben der Mauer war nicht für Bauwerke freigegeben. Stattdessen fand man immer wieder einen Weg, um direkt an der Mauer entlang zu spazieren, oder aber es gab eine Straße, so dass man auf den Verkehr achten musste, oder man fand hier und dort einen Fitnesspark mit Sportgeräten und Sitzgelegenheiten.

Weg entlang der Stadtmauer

Tatsächlich schien sich diese Attraktion auch bei den Einheimischen großer Beliebtheit zu erfreuen, denn keine zwanzig Meter vor mir lief eine Gruppe Ahjummas im Fotoschritt die Mauer entlang. Der Fotoschritt ist eine zielstrebige Gangart, bei der man immer wieder Pausen einlegt, um Fotos zu machen. Bei meinem Ausflug nach Seoul passte ich mich selbstverständlich den Gepflogenheiten der Einheimischen an.



Selbstverständlich lief ich nicht die ganzen 18,6 km der Mauer ab, obwohl der Reiseführer versteckte Schätze, wie beispielsweise alte Wachtürme und weitere Stadttore versprach. Ich hatte noch andere Pläne für den Tag. Mein Weg führte mich nur bis zum Anfang des Naksan Parks, in den ich einen scheuen Blick warf. Ich ruhte mich einen Moment aus, betrachtete den Park und die dahinter liegenden Viertel von oben und kehrte wieder um.



Wenn man lange genug an der Mauer entlang wanderte, fand man früher oder später das Ihwa Maeul, also Ihwa Dorf. Das lag aber, von meiner Warte aus gesehen, vor dem Naksan Park. Also musste ich umkehren, um auch diese Touristenattraktion in Augenschein zu nehmen. Es begann mit einer kleinen Gasse, in der urige Geschäfte zu finden waren. Häuser, die über mehrere Etagen gingen, aber nur eine geringe Grundfläche hatten, verbanden die Straße neben der Stadtmauer mit der engen Gasse, die ein wenig tiefer lag. In diesen Häusern fanden sich Restaurants, Ausstellungsräume, Cafés und Souvenirshops. Oftmals hatten die Gebäude bunte Fassaden oder man fand große Bilder außen an den Wänden. Durch die steile Lage, viele Treppen und enge Beschaffenheit der Straße war es hier besonders ruhig, weil keine Autos durchfahren konnten.

Ihwa Maeul, also Ihwa Dorf

Ich entschied mich kurzerhand für ein Café, das so winzig war, dass es im Inneren nicht mehr als zehn Leuten Platz bieten konnte, obwohl es sich über zwei Etagen erstreckte. Es war super. Sein Name war Café Crayon – und genauso bunt war es auch. Über der Theke hing eine kunterbunte Weltkarte. Plüschtiere und Traumfänger dekorierten den Innenraum. An der Eingangstür hing ein Plüsch-Toothless in pink. Ich nahm einen Fensterplatz im Erdgeschoss ein und trank meinen Zitronentee, während meine erkalteten Knochen ein bisschen Wärme tankten. Die Bedienung war sehr freundlich, wodurch ich mich noch wohler fühlte.

Cafe Crayon im Ihwa Dorf - Außenansicht

Cafe Crayon Innenansicht

Nach einiger Zeit, in der ich einige Leute kommen und gehen sah, war es auch für mich an der Zeit aufzubrechen. Ich schlenderte weiter durch das Ihwa Dorf und betrachtete die bunt bemalten Wände sowie ausgefallenen Gebäudestile.









Es war ein wirklich bizarres Erlebnis. Ich fand alle Arten von Häusern, alte wie neue, traditionelle wie moderne, gut erhaltene wie verrottende, bunte wie eintönige, und zwischen all diesem Wirrwarr gab es immer wieder ein Bild, das einfach so auf die Wand gepinselt worden war. Teilweise waren nur einfache Kleinigkeiten wie ein Paar Engelsflügel, teilweise waren ganze Mauern zu Kunstwerken umfunktioniert worden.

Mittlerweile war ich seit vielen Stunden auf den Beinen und mein Magen verlangte nach einer Beschäftigung. Also machte ich mich auf die Suche nach etwas zu essen. Selbstverständlich musste ich nicht lange suchen, doch ich war wählerisch, da ich mir einige Dinge zu essen vorgenommen hatte. Daher dauerte es doch ein bisschen, bis ich das Richtige für mich fand. Als ich dann in ein Restaurant einkehrte, war ich begeistert. Es gab dort zwei Bereiche, einen mit hohen Tischen, einen mit traditionell niedrigen Tischen. Die Wände waren holzvertäfelt und alles sah sehr schmuck aus. In den Tischen gab es Schubladen mit Besteck, so dass ich mich bediente.

Ich entschied mich für Mandu-Suppe, also eine große Portion Suppe mit koreanischen Maultaschen darin. Selbstverständlich gab es dazu einige Beilagen, Reis und kostenloses Wasser. Es war so heiß, dass ich mir daran den Mund verbrühte und gezwungenermaßen mehr Zeit im Restaurant verbrachte, als ursprünglich vorgesehen. Zwar schwammen nur wenige Mandu in der Suppe, aber diese waren riesig. Sie passten nicht mit einem Happs in den Mund; ich musste daran knabbern.

Mandusuppe mit Riesenmandu und Beilagen

Nach dieser Stärkung zog ich weiter, um meiner künstlerischen Seite ein bisschen Unterhaltung zu bieten. Wer mich kennt, weiß, dass ich mit Kunst nicht allzu viel anfangen kann, aber manchmal fällt mir ein Werk ins Auge und ich mag es einfach. Ein Kenner bin ich dadurch noch lange nicht. Wie dem auch sei, hier in der Nähe gab es die Daehangno Straße, die für Straßenkünstler sowie mehr als 150 kleine Theater berühmt war. Aber auch im ganzen Viertel waren einfach so Kunstwerke aufgestellt. Metall, Stein, Plastik, Holz, alle Materialien waren vertreten; abstrakt, konkret, plastisch, auch an Kreativität mangelte es nicht; einige waren kindlich, andere sehr erwachsen. Alles in allem folgte ich einem nicht ausgeschilderten Weg zum Marronnier Park und verlor mich geistig bei einigen Skulpturen, über die ich unterwegs stolperte.

Auf den Straßen Seouls

Auf den Straßen Seouls

Der Park an sich verdankte seinen Namen den vielen Marronier-Bäumen (eine bestimmte Art von Maronenbaum), die in ihm aufgestellt waren. Im Gegensatz zu anderen Parks fand ich allerdings viel Stein darin vor, denn bis auf ausgewählte kleine Grünflächen gab es einen steinernen Boden. Auch hier fanden sich zahlreiche Kunstwerke, denn das Künstlerhaus war direkt nebenan.

Kunst im Marronier-Park

Kunst im Marronnier-Park

Kunst im Marronnier-Park

Durch den Park hindurch führte mich der Weg direkt auf das Gewirr von Straßen und Gassen, die man als Daehangno Straße bezeichnet. Ich schnupperte nur kurz in diesen Bereich hinein, anstatt tief einzutauchen, weshalb ich nicht viel darüber sagen kann. Aber mein Umherirren führte mich am Schloss-Museum vorbei, also einem Museum, in dem Schlösser und dazugehörige Schlüssel ausgestellt waren. Weil es bereits spät war und ich befürchtete nicht genügend Zeit für eine ordentliche Besichtigung zu haben, blieb ich draußen.

So langsam hatte ich auch das Verlangen wieder in die Herberge zurückzukehren, wurde aber abgelenkt. Auf dem Hinweg hatte ich über den Cheonggyecheon-Bach überquert. Mir fiel auf, dass ich nur den Anfang des Baches kannte, nicht aber sein Ende. Also entschloss ich mich kurzerhand in die anderer Richtung zu gehen. Das war eine schlechte Idee – in gewissem Sinn.

Es stellte sich heraus, dass so weit vom Zentrum und von den allgemeinen Veranstaltungen gar nicht mehr so viel zu sehen war. Es war einfach nur ein Ersatz für den Gehweg weiter oben. Vielleicht war es auch eine Ergänzung dazu. Es gab immer noch ein bisschen Grün und der Weg war gut in Schuss, aber es fehlten die auflockernden Elemente, wie abenteuerliche Möglichkeiten den Bach zu überqueren oder Kunstwerke an den Wänden oder kurze Erläuterungen zur koreanischen Geschichte, die mit diesem Bach zusammenhing. Also kehrte ich um.

Kunst am Cheonggyecheon-Bach

Kunst am Cheonggyecheon-Bach

Geschichte am Cheonggyecheon-Bach

Brücke über den Cheonggyecheon-Bach

Ich beschloss, dass ich, wenn ich schon einmal hier war, zumindest zum Anfang des Baches, also ins Zentrum der Stadt gehen könnte. Oh, wie ich mich verschätzte. Ich hatte wirklich nicht die geringste Ahnung, wie lang dieser Bach war. Im Nachhinein stellte ich fest, dass ich drei Metro-Haltestellen zu Fuß gelaufen war. Kein Wunder, dass ich eine Stunde unterwegs war. Mir fiel auf, dass man sich sogar bei der Gestaltung der Brücken Gedanken gemacht hatte. Die meisten Brücken waren mehr als nur einfache Bauelemente; sie sahen interessant aus. Es erstaunte mich auch sehr, wie weit vom Ursprung noch immer dekorative Elemente zu finden waren. Das täuschte selbstverständlich meine Einschätzung der Entfernung, weil ich mir die ganze Zeit dachte, dass ich doch gleich am Anfang sein müsse. Trotz müder Beine zog ich weiter, denn jetzt wollte ich es wissen.

Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte. Denn obwohl Weihnachten bei weitem nicht das wichtigste Fest für Koreaner ist, gaben sie sich viel Mühe mit der Dekoration. Bunte Lichterketten hingen an Schnüren über den Köpfen der Fußgänger. Die Wände waren ebenfalls lichterloh erhellt. Auch Bäume hatten dran glauben müssen. In der Mitte des Baches standen feierliche Figuren auf Plattformen. Man hatte zusätzliche provisorische Überführungen errichtet, damit die Leute schöne Fotos mit der Dekoration machen konnten. Man hatte sogar Platz für Marktstände geschaffen. Eine Brücke war von unten mit bunten Lichtern bestrahlt, so dass es wie ein Regenbogen aussah. Engelsflüge, überdimensionale Schneeflocken und leuchtende Geschenke waren überall. Es war herrlich bunt.

Weihnachten am Cheonggyecheon-Bach

Weihnachten am Cheonggyecheon-Bach

Weihnachten am Cheonggyecheon-Bach

Weihnachten am Cheonggyecheon-Bach

Damit war ich aber auch geschafft und kehrte in die Ruhe meiner Unterkunft zurück.

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Sonntag, 9. April 2017
Sylvester in Seoul - Tag 2
Mein zweiter Tag in Seoul begann mit ausschlafen und einem reichhaltigen Frühstück.
Ausschlafen war nicht wirklich gegeben, weil ich mich mit dem Heizsystem in Form einer Heizdecke im Bett nicht so ganz anfreunden konnte, was aber eher an der Decke lag. Während ich mich von unten gebraten fühlte und schwitzte, fror der obere Teil, weil die Decke so dünn war. Ein angenehmes Schlafklima sieht anders aus.

Das Frühstück, das im Zimmerpreis inklusive war, zeugte auch nicht wirklich von Abwechslung oder nahrhaften Elementen.

Frühstück im Hostel Korea 5th

Ja, so sah jeden Tag das Frühstück aus. Erschwerend kam hinzu, dass es außer Kaffee (von dem ich nicht wissen wollte, wie lange er schon dort stand) nur noch heißes oder kaltes Wasser zu trinken gab, Teller Mangelware waren und das Besteck auch nur in Spurenelementen zu finden war. Wenn man dann noch berücksichtigte, dass die Heizmöglichkeiten in diesem Raum ebenso schlecht waren wie in meinem, kann man sich ein ziemlich gutes Bild vom Gemütlichkeitsfaktor machen. Es spornte mich jedenfalls zu schnellen Mahlzeiten an. Das einzig Gute: Man wurde dazu aufgefordert, nach Herzenslust zuzugreifen.

Für diesen zweiten Tag in Seoul stand ein Ausflug zur Shopping Mall Times Square an, was nur darin begründet lag, dass ich von der Lotte Mall in Busan letztes Jahr so begeistert gewesen war und hier nun ein ähnliches Erlebnis suchte. Ich hatte mir die Adresse herausgesucht, doch leider lag das Gebäude nicht direkt an einer Haltestelle, so dass ich noch ein Stück laufen musste. Es lag genau zwischen zwei Haltestellen und ich wuselte mich durch die nicht genau benannten Straßen, um mein Ziel zu erreichen. Glücklicherweise habe ich einen hervorragenden Orientierungssinn, so dass ich schon bald an meinem Ziel angekommen war. Nur einmal wirkte ich so verloren, dass ein Koreaner seine Hilfe anbot – aber ich lehnte sie des Abenteuers wegen höflich ab.

Und auf einmal stand ich vor ihr. Glas wechselte sich mit Marmor ab, eine junge Koreanerin stand George Clooney gegenüber (auf riesigen Werbebannern, versteht sich), ein süßes Weihnachtsdorf blockierte dein Eingang und über dem Haupteingang stand in großen Lettern „Times Square“.

Times Square Außenansicht

Schriftzug Times Square mit Weihnachtsdekoration

Genau hier war ich richtig. Ich trat ein in eine riesige, runde Halle, an deren Flanken sich Geschäfte kuschelten. Weiß war hier die Farbe der Wahl. Die Brüstungen bestanden aus Plexiglas, während jede Etage in weißes Licht gehüllt wurde.

Times Square Innenansicht 1

Times Square Innenansicht 2


Ziellos schlenderte ich umher, fuhr erst einmal nach oben, um dort einen Ausgang zu finden, der mich auf die Dachterrasse führte. Dort empfing mich eine schöne Promenade mit Garten, Skulpturen, Sitzgelegenheiten und Auflockerungen für das Auge.

Dachterrasse auf der Times Square Shopping Mall

Dachterrase auf der Times Square Shopping Mall

Dachterrasse auf der Times Square Shopping Mall

An einigen Stellen konnte man einen Blick auf Seoul mit Wolkenkratzern und kleinen Häuschen werfen.

Aussicht von der Dachterrasse der Times Square Shopping Mall

Ich schlenderte zurück, betrachtete die Kleidungsstücke in den Geschäften, fand aber nichts, das mir zugesagt hätte, schlenderte weiter, machte eine Pause in einem integrierten Café, schlenderte weiter, stellte fest, dass die Nobelmarken von den anderen getrennt waren, fand einen Teil eines Stockwerks, der nur für Restaurants verschiedener Art reserviert war, aß dort mein Mittagessen (ich entschied mich für Donkatsu)

Mittagessen in der Times Square Shopping Mall: Donkatsu

und brach zum letzten Stück auf, das sich dann doch als größer als erwartet herausstellte, um dann den Laden endlich zu verlassen.

Das Essen war sehr gut. Es gab eine eigens abgetrennte Abteilung, in der man viele Restaurants zusammengepfercht hatte, Eatery Alley genannt. Am Eingang suchte man sich das gewünschte Gericht aus, bezahlte dafür, erhielt einen Buzzer und durfte sich dann einen Platz suchen. Wenn das Essen fertig war, holte man es am entsprechenden Schalter / Restaurant ab. Es war also viel einfacher, mit Freunden essen zu gehen, wenn man Appetit auf verschiedene Speisen hatte.

Schweren Herzens verließ ich Times Square wieder, um mir den Rest von Seoul anzusehen. Mein nächstes Ziel war die Stadthalle. Auf dem riesigen Platz vor diesem gläsernen Koloss stand ein imposanter Weihnachtsbaum. Obwohl Weihnachten nicht halb so wichtig wie in Deutschland war, schmückten die Koreaner ihre Stadt wie die Weltmeister.

Weihnachtsbaum vor der Stadthalle

Weihnachtsdeko für Fotoshooting vor der Stadthalle

In der Stadthalle

Stadthalle von außen

(großes Gebäude aus Glas rechts) konnte man eine selbstgeführte Tour machen. Ein Angebot, das ich sofort annahm. Im Inneren wurde ich von einer eisblauen Luftballonsäule begrüßt. Direkt daneben fand ich eine riesige mit Efeu bewachsene Wand. Um das noch einmal deutlich zu machen: Hinter der Glasfassade der Stadthalle erstreckte sich ein steinernes Gebäude über elf Stockwerfe. An den Mauern dieses inneren Gebäudes wuchsen Pflanzen in die Höhe.

Garten im Inneren der Stadthalle

Oben endete das Gebäude in einer Kuppel. Die Tour begann unten im Foyer, erzählte einiges zu dem Garten und bat die Besucher sodann den Aufzug in den neunten Stock zu nehmen. Selbstverständlich war der Fahrstuhl gläsern, so dass man den Garten auch von oben betrachten konnte. Im neunten Stock hatte man eine Ausstellung komischer Gebilde aus Plastik, Schnüren und anderen Kuriositäten. Ich sah mich kurz um, doch verstand ich es nicht, weshalb ich bald weiterzog. Weiter oben in der Kuppel befand sich ein Café. Leider war das Glas oben abgenutzt und zerkratzt, so dass man den Ausblick nach draußen nicht wirklich genießen konnte. Daher drehte ich auch hier nur eine kurze Runde, stieg noch in den elften Stock hinauf, wo vereinzelte Sitzplätze versteckt waren, und verabschiedete mich wieder. Auf meinem Weg nach unten hinterließ ich noch ein Post-It mit Kommentar, weil Besucher dieser Etage explizit dazu aufgefordert wurden.

Post-It mit Kommentar im 10. Stockwert der Stadthalle

Der nächste Stopp dieser Besichtigung befand sich im Untergeschoss. Dort gab es neben künstlerischen Themen und dem Zugang zur Metro-Haltestelle auch einen Blick auf Ruinen, die beim Bau dieses Gebäudes zutage gefördert worden waren. Mann hatte Fundamente, Gehwege und Bewässerungssysteme gefunden. Daneben gab es noch Ausstellungsstücke zu Waffen, wie beispielsweise Pfeilköpfe oder riesige pfeilförmige Geschosse.

Alte Fundamente unter der Stadthalle

Pfeilgeschoss im Museum unter der Stadthalle

Nachdem ich auch mit dieser Ausstellung fertig war, hatte sich die Nacht langsam über Seoul gelegt, so dass ich den riesigen Weihnachtsbaum vor der Stadthalle in seiner leuchtenden Pracht bestaunen durfte. Er war blau.

Beleuchteter Weihnachtsbaum vor der Stadthalle

Ich zog dran vorbei und sah in der Ferne ein mir bereits vertrautes Denkmal: das Sungnyemun Tor.

Zügig marschierte ich hin, bestaunte es in seiner beleuchteten Pracht und genoss den Anachronismus, der sich mir hier bot. Während dieses Tor aus einem längst vergangenen Jahrhundert auf einer Straßeninsel stand, wurde es von zahlreichen Autos umfahren.

Sungnyemun Tor bei Nacht

Es ging weiter zum Namdaemun Markt, der zu dieser immer später werdenden Stunde immer noch gut besucht war. Kleine Stände mit verschiedenen Waren drängten sich in der Mitte der Fußgängerzone zusammen. Gesäumt wurden sie von Geschäften in Gebäuden. Street Food, Wahrsager, Kleidung, alles gab es an diesen urigen Ständen. Ich schlenderte ausgiebig umher und hielt die Augen nach zwei ganz besonderen Kostbarkeiten offen: Hoddeok und Socken. Hoddeok ist eine koreanische Süßspeise, ein leckerer, kleiner Pfannkuchen. Socken koreanischer Machart sind einfach nur ausgefallen, lustig und günstig. Letztes Jahr hatte meine Begleitung mich dafür verlacht, dass ich so viele Paar gekauft hatte. Doch schon kurze Zeit später war sie tief traurig, dass sie nicht mehr erstanden hatte. Dieses Jahr wollte ich mit einem Haufen zurückkommen und es an Freunde, Bekannte und Verwandte verteilen – nachdem ich meine Versorgung sichergestellt haben würde. Ich fand auch einige sehr schöne Exemplare, doch von Nachtisch war keine Spur in Sicht.

Nachdem ich jede erdenkliche Straße dieses Markts in Augenschein genommen und viele Stände beim Schließen beobachtet hatte, entschied ich mich für die Rückreise zum Hostel. Es war ein langer und ereignisreicher Tag gewesen, so dass ich mich auf ein bisschen Ruhe freute. Außerdem gab es da etwas ganz Besonderes, worauf ich mich freute.

Mein neuer bester Freund in Seoul hieß Konrad. Im Gegensatz zu Theodora war er ein hitziger Zeitgenosse, der es hervorragend verstand, mein Herz in dieser winterlichen Wunderlandschaft zum Schmelzen zu bringen. Er war ein Heizstrahler für den Innenbereich, jener, den ich mir tags zuvor an der Rezeption abgeholt hatte. In meinem grenzenlosen Leichtsinn ließ ich ihn auch nachts laufen, wenn auch auf verminderter Stufe. Denn das Heizdeckensystem hatte in meinen Augen versagt. Entweder eine dickere Decke oder höhere Außentemperaturen (im Zimmer) mussten her.

Konrad der Heizstrahler

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Sonntag, 2. April 2017
Sylvester in Seoul - Tag 1
Das große Reiseabenteuer, das wir in unserem grenzenlosen Optimismus FOR 1 genannt hatten, weil wir davon ausgingen, dass es eine Fortsetzung geben würde.
Ein Jahr war vergangen, seitdem das große Reiseabenteuer sein Ende genommen hatte.

Falls es noch nicht aufgefallen ist: Seoul hat es mir sehr angetan. Die Stadt gefällt mir, ich mag die Atmosphäre dort, die Gegensätze, die Leute, das Nicht-Deutsche. Was lag also näher als den nächsten Urlaub dort zu planen? Kaum gedacht, schon umgesetzt.

Es begann damit, dass mein Flug, der eigentlich um 9 Uhr nochwas starten sollte, auf 6:40 Uhr verlegt worden war. Das war eine Überraschung der weniger angenehmen Art, weil es meine Umsteigezeit von knapp zwei Stunden auf fünf erhöhte. Macht nichts, dachte ich mir, für Seoul ist das immer noch ein kleiner Preis.

An besagtem Tag brach ich also zu viel zu früher Stunde wieder auf, um einige weniger Tage einige Tausend Kilometer entfernt ein etwas anderes Neujahrsfest zu verbringen. Meine Eltern waren so freundlich mich zum Flughafen zu bringen, was natürlich auch damit zusammenhing, dass sie sich verabschieden sollten. Nach dem Einchecken musste ich auch nicht lange warten, doch die Zeit reichte für einen schnellen Tee. Es ging durch die Sicherheitskontrolle, an einem Ganzkörperscanner gab es dieses Mal kein Vorbei, ich kam an meinem Gate an, stellte fest, dass man schon durchgehen konnte, und ging damit zielgerichtet zum Bus. Wir fuhren übers Rollfeld zu einer Maschine, die die Größe eines Privatjets hatte, in den sich jetzt leider einige Personen zu viel quetschen wollten. In dieser Vergrößerung einer Sardinenbüchse für Jungsardinen fand ich schnell meinen Platz und heraus, dass er sogar für mich ein klein bisschen zu eng geschnitten war. Ich saß gut, keine Frage, aber das Sichsetzen mit dickem Wintermantel stellte eine Herausforderung für mein Gesäß dar. Mit viel Überzeugungsarbeit schaffte ich es dann doch. Der Stauraum war so eng bemessen, dass mein Rucksack nicht in die Ablage über meinem Kopf passte, obwohl er nur leicht bepackt war. Ich musste ihn gezwungenermaßen unter die Füße legen oder weit weg von mir verstauen.

Das Gepäckfach war so schmal, dass niemand sein Gepäck dort verstauen konnte

Die Fenster dieses Fliegers waren ein bisschen anders konzipiert, als ich es bisher kannte: Ihre Jalousien gingen von oben und unten zu, aber jeweils nur bis zur Hälfte.

Als alle Passagiere an Bord waren und es dann losging, fragte ich mich für einige Zeit, ob ich tatsächlich an Bord des richtigen Gefährts war. Die Maschine hieß „Flugzeug“, wenn ich nicht falsch lag. Dennoch rollte sie mehr, als dass sie flog. Von der endgültigen Parkposition zum Rollfeld in Düsseldorf und vom Rollfeld zur endgültigen Parkposition in Paris dauerte es gefühlt genauso lange wie der Flug an sich. Wir rollten und rollten und rollten und…

Einmal in der Luft bekamen wir kurz nach dem Start einen Snack in Form eines Croissants und Getränken nach Wahl verteilt, bevor wir auch schon wieder zum Landeflug ansetzten.

Croissant und Wasser

Es gab offensichtlich gute Gründe dafür, diese Verbindung als „City Hopper“ zu bezeichnen.

Die Reise von der endgültigen Parkposition des City Hoppers zum Terminal war fast ebenso lang wie die Reise vom Rollfeld zur Parkposition, denn wir mussten wieder einen Pendelbus nehmen, um dann einen Zwischenhalt in einem kleinen Terminal einzulegen, gefolgt vom nächsten Pendelbus, dessen Farbe dieses Mal davon abhing, wohin die weitere Reise ging. Es gab rot, blau, gelb und grün. Mein Shuttle war gelb und verband mich so mit dem Terminal für Anschlussflüge ins außereuropäische Ausland. Aber zuerst mussten wir durch die Passkontrolle. Nein, grenzenlose Einreise innerhalb der Europäischen Union ist nicht mehr gewährleistet. So langsam dämmerte es mir, dass die Fahrt mit dem Auto nach Paris wohl genauso lang gewesen wäre und genauso viel Papierkram mit sich gebracht hätte. Immerhin hatte ich so die Möglichkeit diesen Flughafen in Augenschein zu nehmen. Was ich sah, waren zerstreut eingeworfene Terminals, die mit sich windenden Rampen, Straßen und Wegen auf mehreren Ebenen miteinander verbunden waren. Zwischendurch erblickte ich – mal nah, mal fern – einen Pendelzug, doch er hatte nichts mit mir zu tun. Stattdessen beschäftigte mich die Verkehrsführung auf diesen Rampen, Straßen, spiralförmigen Verbindungswegen und – natürlich – Kreisverkehren. Denn beim Überholen eines Gepäckwagens baute unser Busfahrer dank Gegenverkehr und sich anbahnender Ausfahrt beinahe einen Unfall, indem er zu früh einlenkte und so das Gefährt hinter ihm mitzunehmen versuchte. Geistesgegenwärtig hupte der Fahrer energisch, was nichts brachte, und begann dann zu bremsen. Ich merkte sofort, wo seine Prioritäten lagen.

Wie dem auch sei, ich war an meinem Zwischenziel dieser Reise wohlbehütet angekommen, und da ich in allen Fahr-, Flug- und Schwimmzeugen mehr oder minder gut schlafen kann und darüber hinaus eine eher unruhige Nacht verbracht hatte, war ich nun hundemüde. Gleichzeitig wollte ich meinen Anschlussflug nicht verpassen, weshalb ich mich nicht irgendwo zum Schlafen ausbreiten wollte. Also musste ich fünf Stunden hinter mich bringen, in denen meine Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Dennoch hatte ich entschieden mehr Platz als mir auf dem Flug zur Verfügung stehen würde, weshalb ich das ausnutzte und so viel von einem Ende des Terminals zum nächsten schlenderte.

Auch wenn der Flughafen auf den ersten Blick einen netten Eindruck machte, hielt sich das Bild nur aufrecht, wenn man nicht allzu genau hinsah.

Ein Terminal am Flughafen

Die riesige, gewölbte Halle war mit Holzplatten vertäfelt. Dort wo kein Holz war, konnte man durch bauchige Fenster auf das Rollfeld blicken. Luxusmarken wurden im Duty Free-Bereich feilgeboten. Doch gleichzeitig sah man, wo früher Stühle festgeschraubt gewesen waren, weil niemand die Löcher im Teppichboden gestopft hatte. Die Arbeitstische hatten auch schon seit geraumer Zeit keinen sauberen Lappen mehr aus der Nähe gesehen. Hier und da waren die Sitzpolster der Sitze eingerissen. Ernüchternd. Mit den Toiletten verhielt es sich ebenso. Zwar waren viele von ihnen sauber, doch wirkten sie trotzdem alt, heruntergekommen und ungepflegt. Man hatte wenig gemacht, um das Gebäude optisch attraktiv zu halten.

Ich fand einige nützliche Einrichtungsgegenstände – auch wenn man von den diversen Geschäften absah. Es gab praktische, gemütliche Liegesessel, in denen man recht bequem ein Nickerchen machen konnte, wenn die Flüge weit auseinander lagen. Oder aber man setzte / legte sich hinein, um die Aussicht auf das Rollfeld zu genießen. Es gab Steckdosen und USB-Anschlüsse, um Elektrogeräte zu laden. Es gab Tische mit Steckdosen und USB-Anschlüssen, an denen man arbeiten konnte. Theoretisch. So lange man keinen Strom brauchte. Denn es sah zwar schön aus, aber die meisten Stecker funktionierten einfach nicht. Viele Leute rannten umher und fragten einander, ob dieser oder jener Steckplatz schon ausprobiert worden war.

Es gelang mir tatsächlich in den fünf Stunden nicht wegzunicken. Ich aß einen Snack, ging fünfzehn Mal das Terminal auf und ab und probierte verschiedene Einrichtungsgegenstände aus. Dann ging es endlich weiter. Ich stapfte erneut die Gangway hinunter, schnappte mir Lesematerial für den Flug und danach und begab mich auf meinen Fensterplatz, den ich nicht so bald zu verlassen gedachte. Und dann saßen wir da und warteten. Und warteten. Und warteten immer noch. Wie sich herausstellte, waren einige Passagiere zu spät. Wir mussten auf sie warten. Mit einiger Verzögerung ging es endlich los. Alle Monitore flackerten auf, um uns die Sicherheitsinstruktionen vorzuspielen. Diese sind bei Air France ein bisschen lockerer als bei anderen Anbietern. Wenn es interessiert, hier der Link:

https://www.youtube.com/watch?v=0N3J6fE-0JI

Es erregte jedenfalls meine Aufmerksamkeit und amüsierte mich zugleich.

Nachdem das geregelt war, machte ich das einzig Sinnvolle auf solch einem Flug: Schlafen. Ich mummelte mich gemütlich in meine Ecke, zog die Jalousie am Fenster runter, die Decke bis zu den Ohren hoch und öffnete die Augen nur, wenn es Essen gab. Leider gab es auch hier keine Sticker, die das Personal darüber informiert hätten, was ich mir wünsche, aber es klappte auch so ganz gut.

Es gab einen Snack
, gefolgt von Mittagessen
, gefolgt von Frühstück
.

Natürlich ließ ich mir genügend Getränke bringen und mich gut versorgen. Ein Kritikpunkt: Air France macht den schlechtesten Schwarztee, den ich je in meinem Leben getrunken habe. Er war ungenießbar.

Nach elf Stunden in einem Flugzeug kam ich endlich an meinem Ziel an: Seoul. Ich musste nicht erst den Flughafen verlassen, um begeistert zu sein. Ja, ich weiß, dass es nur ein Flughafen ist.

Als ich dieses Mal durch die Kontrollen ging, gab es keine Warnschilder wegen MERS mehr. Stattdessen begrüßten mich dieselben Wärmebildkameras für den Fall, dass das Zika-Virus mit an Bord gewesen wäre. Die Einreise war mal wieder so unkompliziert wie beim letzten Mal, ich musste nur kurz meinen Pass vorzeigen, bekam einen Stempel und wurde durch die Gepäckkontrolle durchgewinkt. Mein erstes Ziel war selbstverständlich ein Geldautomat und mit Trauer stellte ich fest, dass er dieses Mal eine Abhebegebühr verlangte. Das war letztens noch nicht der Fall gewesen. Zusammen mit der neuen Geschäftspolitik meiner Bank, der DKB, hieß das für mich, dass ich darauf sitzenbleiben würde. Wie dem auch sei, es war früh am Morgen, 8 Uhr Ortszeit, und ich wollte mich von solchen Lappalien nicht aus der Ruhe bringen lassen. Immerhin war ich in Seoul! So nahm ich geschwind mein Geld (der Automat hatte mir nur 10.000 Won-Scheine gegeben, wodurch das Portemonnaie dick wurde, auch wenn ich kein Vermögen bei mir trug), griff ich mir die nächstbeste Infobroschüre mit aktuellen Sehenswürdigkeiten und Daten und stapfte zielsicher zur Metro, um zu meinem Hostel zu gelangen. Vor dem Eingang zur Metrohaltestelle gab es einen Automaten, an dem ich meine bewährte T-Money-Karte aufladen konnte. Nach fast eineinhalb Jahren funktionierte sie immer noch einwandfrei.

Nach etwas mehr als einer Stunde kam ich an der Herberge an. Selbstverständlich war es noch zu früh, da der Check-in erst ab 15 Uhr möglich war, darüber war ich mir im Klaren. Was allerdings eine Überraschung war, war die Tatsache, dass man meine Reservierung nicht zuordnen konnte. Mein Name tauchte nicht im System auf und ich musste meine Buchungsbestätigung vorzeigen, damit sie irgendetwas dazu finden konnten. Es dauerte einen Moment, man fragte mich, wie lange ich bleiben würde, welche Art von Zimmer ich gebucht hatte und ob ich eine Anzahlung geleistet hatte und wenn ja, in welcher Höhe. Es lag also wirklich gar nichts vor. Nach einigem Hin und Her wurde beschlossen, dass alles in Ordnung war und ich auf jeden Fall bleiben durfte. Mehr erfuhr ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Immerhin durfte ich mein Gepäck schon einmal dort lassen, um erleichtert durch die Gegend ziehen zu können.

Mein erstes Anliegen war ein zweites Frühstück. Glücklicherweise fand man auch in dieser Gegend fast überall irgendwelche netten Cafés, so dass ich in das nächstbeste – Ediya – einkehrte, um mir dort einen Tee, ein belegtes Brot, einen Muffin und Internet zu sichern. Mit W-Lan konnte ich meine Bekannten vor Ort sowie daheim auch darüber in Kenntnis setzen, dass ich heil und munter angekommen war. Kurzerhand wurde ich zu Hulks Arbeitsplatz eingeladen. Also aß ich schnell auf und fuhr die zwei Haltestellen rüber.

Es war richtig schön, Hulk wieder persönlich zu sehen. Es gab eine schöne Umarmung, ich wurde den Kollegen vorgestellt, Freundlichkeiten wurden ausgetauscht und man zog mich mit in die Angestelltenkantine, damit ich mit den anderen Mittagspause machen durfte. Da ich kurz zuvor gegessen hatte, passte nicht mehr alles hinein. Außerdem waren alle Beilagen viel zu scharf für mich. Nach dem Essen blieb ich noch eine Weile und schaute mir an, wie Hulk so seiner Arbeit nachging. Die Zeit zwischen den Jahren war für das Hotel, in dem er jetzt arbeitete, die geschäftigste, wodurch er mir nicht wirklich viel Aufmerksamkeit schenken konnte. Dennoch nahm er sich einige Augenblicke, um mit mir ein Getränk zu trinken und ein bisschen Small-Talk auszutauschen.

Als Hulks Chef aber ankam und viele Gäste zu betreuen waren, sah ich den richtigen Moment gekommen, um mich vorerst von ihm zu verabschieden. Wir würden in Kontakt bleiben und uns an einem anderen Tag in Ruhe wiedersehen.

Mittlerweile war für mich eh die Zeit zum Einchecken gekommen. Also fuhr ich zurück. Somit hatte ich die Möglichkeit meine Unterkunft genau in Augenschein zu nehmen und leider kann ich nichts Gutes berichten. Der erste Eindruck, den ich gewonnen hatte, war schon nicht vielversprechend. Beim Eintreten wehte mir ein seltsamer Geruch entgegen, der so stark war, dass ich annahm, er sollte etwas Schlimmeres übertünchen. Die Decke war übersäht mit Spinnweben oder Staubfäden – ich will es gar nicht wissen, denn der springende Punkt ist, dass sie seit langem keinen Staubwedel gesehen hatte. Auf den Einrichtungsgegenständen konnte man schon Schneeengel im Staub machen. Außerdem deuteten einige Wasserflecken auf ein Problem mit Feuchtigkeit hin. Ja, ich weiß, dass es sich nicht mehr um das jüngste Gebäude handelte, aber es gab keinen Grund, die Einrichtung derart verkommen zu lassen, wenn man darin Gäste empfangen wollte. Der Teppichboden war abgelaufen, das Laminat im Gemeinschaftsbereich war nicht ordentlich verlegt und die Teppiche darauf hatten ihre beste Zeit auch schon lange hinter sich.

Zu meinem Bedauern sah mein Zimmer auch nicht sonderlich gepflegt aus. Außer den Spinnweben gab es noch unangenehme Flecken an den Wänden, die entweder von Dreck oder von Schimmel herstammen. Die Tapete rollte sich an einigen Stellen freiwillig von den Wänden. Unter dem Bett war kein Platz an dem die Putzkolonne aufzuräumen gedachte. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Bettlaken nicht extra meinetwegen gewechselt worden waren. Im Bad splitterte die Farbe von der Tür, was aber selbstverständlich war, weil man doch keine Holztür einsetzt, wenn man weiß, dass sie jedes Mal beim Duschen nass wird. Darüber hinaus zeugten schwarze Ränder und Flecken von einem mäßigen Sauberkeitsgefühl der Herbergsleitung.

Winziges Bad mit schwarzen Fugen

Die Krönung war aber, dass das Zimmer keine Fenster hatte – ebenso wenig das Bad. Nein, ich werde niemandem empfehlen, sich im Hostel Korea 5th einzubuchen.

Die Tatsache, dass ich ein Einzelzimmer mit Bad gebucht hatte, veranlasste die Herbergsleitung in keiner Weise dazu, Handtücher oder Seife im Bad zur Verfügung zu stellen. Und ich rede nicht von irgendwelchen teuren und ausgefallenen Pflegeprodukten wie Shampoo oder Lotion, sondern einfacher Seife, um sich die Hände zu waschen. Man musste sie selbst mitbringen.

Das waren aber noch nicht alle Unannehmlichkeiten. Es gab noch zwei Steckdosenplätze für den ganzen Raum. Daran angeschlossen waren drei Mehrfachstecker mit Verlängerungskabel, um all die technischen Geräte, die ohnehin im Raum standen, mit Strom zu versorgen: ein kleiner Kühlschrank, Router, Fernseher, Box, Klimaanlage und Haartrockner. Es gab noch zwei freie Plätze. In der Theorie wäre das genug für mich, meinen Laptop und mein Handy gewesen. Praktisch hatte allerdings einer der Plätze einen Wackelkontakt und der andere musste anderweitig genutzt werden. Falls es noch nicht deutlich geworden ist, ich sprach noch nicht von einer Heizung. Das liegt daran, dass es keine gab. Das Personal sah darin nicht die geringste Schwierigkeit, da man mir ja eine Heidecke im Bett bereitgestellt hatte. Sie boten aber natürlich auch an, mir einen Heizkörper zu geben, falls diese nicht reichen sollte. Ich wollte es erst einmal ohne ausprobieren. Allerdings wurde der Fehler in der Denkweise schon schnell offenbart, nämlich als ich die Heizdecke einzuschalten versuchte. Sie war nicht angeschlossen und ohne Strom wurde sie partout nicht warm. Also wollte ich einen der beiden freien Steckplätze für die Heizdecke nutzen, doch auch das ging nicht auf Anhieb, denn die Kabel waren zu kurz. Ich hätte das Verlängerungskabel entweder für den Internetzugang oder für die Heizdecke benutzen können, da beide Geräte in entgegengesetzter Richtung zueinander standen. Beides auf einmal war also nicht möglich. Kurzerhand entschloss ich mich für den Heizkörper und holte mir ein Exemplar an der Rezeption ab. Obwohl die Klimaanlage im Raum bis auf 30 Grad kühlen konnte, konnte sie eben nur kühlen, nicht aber aufheizen, wie es bei anderen Modellen durchaus üblich ist.

Als ich die Buchung vorgenommen hatte, gab es auf der Website noch keine Rezensionen zu dieser Absteige. Das änderte sich mit meiner Ankunft zurück in Deutschland. Ich bin mir nicht sicher, ob die Tatsache, dass der Chef des Hostels ein Chinese war und die Angestellten ebenfalls dieser Nationalität angehörten, einen Einfluss auf die Qualität der Reinigungsarbeiten hatte. Oder ob man in Korea für einen geringen Preis mit allem durchkommt.

Wie dem auch sei, das Ergebnis war das gleiche: Ich entschied mich dagegen, viel Zeit in meinem Zimmer zu verbringen. Stattdessen zog ich immer wieder aus, um Sachen zu sehen, Leute zu treffen und lecker zu essen. Vor allem letzteres war problemlos möglich, weil es um die Haltestelle herum viele Restaurants und kleine Lokale gab, in denen man diverse Köstlichkeiten verspeisen oder sich zum Mitnehmen einpacken lassen konnte.

Ich hatte nur wenig Zeit, in meinem Hostelzimmer anzukommen und mich mit den Begebenheiten vertraut zu machen, denn die nächste Besucherrunde stand an. Anneena und ihre Mutter luden mich ein, zusammen essen zu gehen, um mich willkommen zu heißen. Also brach ich auf, um einmal quer durch die Stadt zu fahren, dreimal umzusteigen, und eine Stunde später bei ihnen an der Haltestelle anzukommen.

Noch immer nicht so ganz bei mir, lief ich mit offenen Augen und doch blind zu dem vereinbarten Ausgang, als mich jemand am Arm packte und nach hinten zog. Verschlafen blickte ich einem Mädel ins Gesicht, das seit unserer letzten Begegnung ein ordentliches Stück gewachsen war. Anneena grinste mich breit an und machte sich sofort über mich lustig, weil ich blind an ihr vorbeigelaufen war. Das ist koreanische Freundlichkeit. Als ihre Mutter und ihr Bruder hinzukamen, wiederholte sie es noch einmal, damit auch die beiden mitlachen durften. Natürlich lachten sie auch herzlich. Das ist koreanische Freundlichkeit – und ich liebe sie. Anneenas Mum hatte sich etwas ganz Besonderes für den Abend ausgedacht. Selbstverständlich implizierte es Essen.

Ohne Umschweife führte sie uns zu einem kleinen Lokal, das man durch einen durchsichtigen Plastikwindfang betrat. Sofort reichte man uns eine luftdicht verschließbare Tüte für unsere Jacken, damit sie nicht den Geruch vom frisch gebratenen Essen annahmen, das überall auf den Tischen vor sich hin brutzelte. Da es in Korea viele kleine Lokale gibt, die auf eine bestimmte Speise spezialisiert sind, mussten wir uns auch hier nicht die Mühe machen, etwas vom Menü zu suchen. Wir wurden bedient, kaum dass wir Platz genommen hatten. Natürlich hatte man eine Wahl, aber nur wenn es um die Zusätze zur eigentlichen Mahlzeit ging. Ansonsten bekam jeder Wasser, Besteck, Standardbeilagen und einen heißen Grill an den Tisch gestellt.

Anneenas Mum entschied sich heute für Innereien. Da meine letzte Erfahrung in diesem Teil vom Tier sehr lange zurücklag, nahm ich eine offene Haltung gegenüber dem Vorschlag an und probierte von allem ein bisschen. Es begann mit rohen Eingeweiden:

Rohe Leber und Darm

Ich war mäßig begeistert. Der Darm war zäh wie Kaugummi und überzeugte nicht sonderlich. Die Leber ließ sich zwar kauen, hatte aber einen unangenehmen Eigengeschmack, der mir einfach zu schwer auf der Zunge lag. Da wartete ich doch lieber das heiße Gericht ab. Jacob, Anneneas Bruder, konnte man noch nicht einmal dazu bewegen, das Stückchen Leber zu probieren, weil er sich vor dem Blut, das daraus hinaustroff, ekelte.

Der Tisch am Anfang

Als dann die panierten und gegrillten Stückchen Innereien auf dem Tisch standen, um weiterhin fröhlich vor sich hin zu schmoren, wurde mir mal wieder die korrekte Essart erklärt. Je nachdem, welches Fleisch man nahm, sollte man es in eine bestimmt Sauce tunken. Es gab Öl-Salz und zwei rote, relativ scharfe Saucen. Als mir das erste Stück in die Öl-Salz-Mischung fiel, ging ein lauter Aufschrei durch die Runde. Nein, das sei zu viel Sauce, das sei zu salzig. Ich durfte mich nicht einmal selbst um die Behebung des Schadens kümmern, nein, Anneenas Mum griff mit ihren Stäbchen mein Essen und wischte es lang und breit an einigen Salatblättern ab. Der Ausdruck in ihrem Gesicht war pures Entsetzen. Ich war amüsiert.

Zu meinem Bedauern waren die gebratenen Innereien auch nicht sonderlich schmackhaft. Zwar schmeckte es schon besser als roh, aber die gummiartige Konsistenz blieb, wodurch ich mir nie sicher war, ob das Stück nun schon von meinen Zähnen zerkleinert worden war oder ich noch zwei Stunden darauf rumkauen müsste. Wir zwei würden uns einfach nicht verstehen. Der Salat und das gebratene Gemüse waren hingegen sehr angenehm.

Dann bestellte Anneenas Mum auch noch Muschelsuppe. Leider bin ich kein großer Fan von Muscheln, so sehr nicht, dass ich es nicht einmal probierte. Ich sagte es ihr im Vorfeld, doch sie hatte trotzdem Appetit darauf. Das war ihr immer noch nicht genug. Als nächstes gab es gebratenen Reis mit Gemüse, den man einfach neben die Reste vom Fleisch und Gemüse in die Pfanne warf, so dass wir uns weiterhin bedienen konnten. Natürlich probierte ich ein Stück davon, nur um festzustellen, dass es mir alle Geschmacksnerven wegätzte. Es war scharf. Auch wenn die anderen am Tisch mir versicherten, dass es nur ein bisschen würzig war, blieb ich bei meiner Behauptung, dass es nur ihnen so schien. Sie lachten wieder herzlich. In dem Moment war ich die personifizierte Karikatur eines Ausländers.

Bevor wir zahlten und gingen, kippte Anneenas Mutter alle Reste zusammen. Sie meinte, dass die Köche Gerichte, die noch ansehnlich waren, gerne ein zweites Mal verkauften. Daher ruinierte sie ihnen diesen Spaß immer wieder. Besonders hygienisch war das nun wirklich nicht, weshalb ich höchstes Verständnis für ihre Aktion hatte.

Nachdem wir lecker gegessen hatten und ich keinen Cent dafür zahlen musste, war es an der Zeit, mich dafür zu revanchieren. Ich hatte der Familie einige Süßigkeiten aus Deutschland mitgebracht, die ich ihnen draußen vor dem Lokal feierlich übergab. Sie waren begeistert. Das sollte aber nicht mehr lange der Fall sein, doch dazu gleich mehr.

Wir zogen weiter durch die Straßen, bis die Kinder einen Laden entdeckten, in dem man Plüschtiere mit einem Greifarm herausfischen konnte. Sie wollten spielen, man gewährte ihnen eine Runde, doch damit war es vorbei. Leider gewannen sie nichts. Wir gingen weiter zu einem Spielsalon, in dem man verschiedene Spiele spielen konnte.

Anneenas erste Wahl war ein Spiel, das man zu dritt spielen konnte. Es nannte sich Bishi Bashi.

Der Name des Spiels sagt alles aus

Wir konnten noch kurz dabei zusehen, wie zwei andere Leute es spielten, doch die Regeln verstand ich nicht so ganz. Man hatte einen großen Bildschirm und pro Person vier überdimensionale Knöpfe. Aber worum es ging…

Als wir dran waren, erkläre Anneena mir schnell, worum es ging. Man musste auf die Knöpfe hauen, wenn etwas auf dem Bildschirm passierte. Meistens ohne irgendeinen Sinn. Manchmal musste man einen bestimmten Knopf drücken, was durch eine der Farben – gelb, rot, grün, blau – deutlich auf dem Bildschirm gekennzeichnet war. Ansonsten musste man nur so schnell wie möglich so viele Knöpfe wie möglich drücken. Das artete meistens in wildem Geschlage aus. Das verstand ich, das konnte ich umsetzen, trotzdem war ich nicht die Beste in diesem Spiel. Nach einiger Zeit schieden wir der Reihe nach aus. Es war ein Heidenspaß.

Dann war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich Anneena und Familie um einen Gefallen bitten musste. Zu den Süßigkeiten, die ich mitgebracht hatte, zählten unter anderem Salzheringe aus Lakritze. Und ich gebe offen zu, dass wir diese nur ausgesucht hatten, weil wir unsere koreanischen Freunde ärgern wollten. Also bat ich Anneena und Co, jeweils einen davon zu probieren, während ich meine Kamera zückte. Jeder nahm einen Bissen, kaute drauf rum, verzog angewidert das Gesicht und spuckte es aus. Ich lag vor Lachen auf dem Boden. Sie mochten weder die Menge an Salz noch den Eigengeschmack von Lakritze. Zuerst wollten sie die ganze Packung wegwerfen, doch ich überzeuge Anneena davon, dass sie es ihren Freunden in der Schule vorsetzen sollte. Sie empfand es als großartige Idee. Koreanische Freundschaft und so. Bis zum Ende meiner Abreise glaubte mir kein Koreaner, dass es in Deutschland Menschen gab, die diesen Snack tatsächlich freiwillig und genüsslich aßen. Mehr als ein Scherzartikel würde es in ihren Augen nie werden.

Damit war meine Energie für diesen doch sehr langen Tag erschöpft, ich verabschiedete mich und trat die lange Rückreise zu meinem Hostel an. Selbstverständlich rang die Familie mir zuerst das Verspreche ab, dass wir uns noch einmal wiedersehen würden, bevor ich zurück nach Deutschland aufbrach.

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Sonntag, 14. August 2016
Nachtrag - elektronische Bilanz
Im letzten Bericht vergas ich eine wichtige Sache zu erwähnen:

die elektronische Bilanz dieser Reise.

Als wir aufbrachen, nahm ich nicht allzu viele elektronische Gegenstände mit, weil es mir bewusst war, dass ich sie die ganze Zeit mitschleppen müsste. Sie nehmen immer viel Platz ein und tragen erheblich zum Gesamtgewicht bei. Also beschränkte ich mich auf einen Laptop, ein Smartphone, einen Fotoapparat und einen MP3-Player. Das passte alles in meinen kleinen Rucksack und Hosentaschen, so dass es immer in die Kabine eines Flugzeugs genommen werden konnte. Außer dem MP3-Player war keines dieser Geräte neu, so dass ich mir zudem keine Sorgen darüber machen musste, wenn weitere Gebrauchsspuren hinzukamen.

Wenn es nur das gewesen wäre.

Im Laufe der Monate schien mich ein elektornischer Fluch zu verfolgen, der in Franz Josef zum ersten Mal ausbrach, nämlich als mein Laptop den Geist aufgab. (Siehe Eintrag Auf Wiedersehen) Puff, war die Festplatte hin. Eine Sicherung aller Daten war nicht mehr möglich. Immerhin lernte ich dabei, dass man keine Festplatte braucht, um einen Rechner zum Laufen zu bringen.

In Seoul ging es weiter. Dank eines Whatsapp-Updates entwickelte mein Smartphone ein bedenkliches Eigenleben, das darin resultierte, dass ich es auf Werkeinstellungen zurücksetzen musste. Der Akku lud nicht mehr richtig. Obwohl er voll aufgeladen war, zeigte er nach einer Stunde an, dass nur noch 10% Akkukapazität vorhanden waren. Wenn man ihn dann ans Ladegerät anschloss, war er sofort voll geladen, aber ohne Stromanschluss wollte das Gerät überhaupt nicht vernünftig arbeiten. Gleichzeitig konnte ich nicht mehr als zwei, drei Fotos schießen, bevor die Micro-SD-Karte voll war, obwohl ich alle Daten runtergezogen hatte. Selbst Tricks von Leuten mit ähnlichen Problemen verschufen nur kurzfristige Linderung. Es war frustrierend, weil dadurch einige Apps nicht mehr richtig funktionierten.

Mein MP3-Player gesellte sich schnell dazu. Die Knöpfe funktionierten nur noch, wenn es ihnen beliebte. Wenn ich ein Lied überspringen wollte, durfte ich das nur, wenn der MP3-Player gerade in der Stimmung dafür war. Manchmal ging er einfach so aus und ließ sich nicht einschalten. Dann konnte ich auch nicht auf die Daten zugreifen, wenn ich ihn an den Rechner anschloss. Den Akku aufzuladen war zudem reine Glückssache. Nach meiner Rückkehr ging das Gerät zurück an den Verkäufer und ich kaufte mir ein anderes Modell.

Als ich dann Zuflucht bei meinem Fotoapparat suchte, weil das MoKo (mobile Kommunikationsgerät, aka Smartphone) seinen Dienst aufgab, stellte ich fest, dass auch dieser sich von mir verabschiedet hatte. Er wollte einfach nicht mehr. Er ging an, stellte die Linse hin und her, rödelte, piepte mich wütend an und ging dann aus. Bei jedem Versuch wiederholte sich dieses Prozedere. Es war nichts mehr zu machen.

Bilanz: 4/4 = 100 % defekt.

Vielleicht hatte Jae Wons Geistersichtung irgendetwas damit zu tun.

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